Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Von dunklen Hecken und Wandmalereien
Drehorte von Game of Thrones, die älteste Whiskeydestille der Welt, urige Pubs und politische Wandmalereien: Weil Nordirland mehr zu bieten hat als immergrüne Natur, kürte der Reiseführer „Lonely Planet“es zum Top-reiseziel 2019.
Echte Thronies wissen es schon lange: Weite Teile von „Game of Thrones“wurden in Nordirland gedreht. Die Dark Hedges beispielsweise hatten in der ersten Folge der zweiten Staffel einen unvergesslichen Auftritt als Teil des Königswegs, der sich von Königsmund bis an die Mauer zieht. Arya Stark ist als Junge verkleidet nach Norden unterwegs, um sich den Nachtwächtern anzuschließen. Sie fährt mit dem Holzkarren durch den Tunnel aus mystisch mit ihren Kronen ineinander gewachsenen uralten Buchen.
Auch ohne Filmbeleuchtung zählt diese nur wenige hundert Meter lange Allee sicherlich zu den malerischsten Straßen der Welt. Die Familie Stuart pflanzte die Bäume im 18. Jahrhundert an, um eine imposante Sichtachse auf ihr Anwesen Gracehill House zu schaffen. Inzwischen gehören die dunklen Hecken zu den meistbesuchten Orten der irischen Insel.
Anfang 2016 fegte der Sturm „Gertrude“über den County Antrim. Ihm fielen zwei der Alleebäume zum Opfer. Aus ihrem Holz wurden zehn Türen mit Motiven der Serie geschnitzt, die in Pubs in Nordirland verteilt wurden. Die dem Drachenmotiv gewidmete Tür Nummer sechs ist im Fullerton Arms Restaurant in Ballintoy zu sehen.
Ein Dorf weiter entsteht in der nach eigenen Angaben ältesten Whiskeybrennerei der Welt der Old-bushmills Whiskey. Mehr als 400 Jahre Tradition können nicht nur besichtigt, sondern auch verkostet werden.
Fünf Minuten weiter Richtung Küste wartet Nordirlands einziges Unesco-welterbe auf unseren Besuch, der Giant‘s Causeway. 40.000 Basaltstelen entstanden vor rund 60 Millionen Jahren bei einem Vulkanausbruch. Kühlt die Lava langsam und gleichmäßig ab, dann entstehen diese zumeist sechseckigen Säulen, deren größte eine Kantenlänge von zwölf Metern misst. Angeblich wollte der Riese Finn Mccool einen Damm ins 50 Kilometer entfernte Schottland bauen, auf dem er trockenen Fußes gehen konnte. Dieserweg überswasser wurde – so will es die Sage – von einem schottischen Riesen aus Angst vor der Invasion zerstört. Auf den Resten lässt es sich gar herrlich herumklettern. Und endlich einmal braucht niemand zu befürchten, durch seine Kletterei ein Welterbe zu zerstören: So hart wie Basaltsäulen sind, so wenig können ihnen menschliche Füße etwas anhaben.
Nicht kleinzukriegen ist auch die irische Pub-kultur. Die berühmteste Kneipe Belfasts ist direkt gegenüber dem Bahnhof: The Crown Pub. Die Fenster in bunter Bleiverglasung, Gruppen trinken in abgegrenzten Holzverschlägen. Doch selbst ein Pub-besuch ist in Belfast ein politisches Statement. Schon am Namen des Pubs lässt sich ablesen, dass die Besucher aus der protestantischen Einwohnerschaft Belfasts stammen und die Queen verehren. Und die Katholiken freuen sich, denn am Eingangsmosaik wird die Krone mit Füßen getreten.
Der von IRA und Co. mit Bomben und Scharfschützen ausgetragene Konflikt ist nach wie vor spürbar. Mit dem Stadtviertel ist die Religionszugehörigkeit und damit auch die politische Überzeugung klar: Katholische Nationalisten, die die ganze Insel Irland als eine Nation vereinigt sehen wollen, wohnen in Falls. Gleich nebenan um die Shankill Road wohnen die Unionisten, die die Union mit den protestantischen Briten beibehalten wollen.
Überall an den Häuserwänden und Mauern finden sich aufwendige Wandmalereien. Mal wird an Bobby Sands erinnert, der als erster Nationalist ins Londoner Parlament gewählt wurde. Mal an die drei britischen Soldaten, die bei einem Autobombenanschlag ums Leben kamen. Die Friedensmauer huldigt den weltweiten Unabhängigkeitsbewegungen und Friedensstiftern. Doch dicke Eisentore lassen sich noch immer schließen – was an Tagen der politischen Demonstrationen noch immer geschieht. Kompromisse sind nicht vorstellbar – einzig die Grenzöffnung im Rahmen der EU sorgt für Ruhe.
Beide Seiten heißen Touristen allerdings herzlich willkommen. Hier ein kleiner Plausch mit einem gälisch sprechenden Musikanten, dort eine kurze Konversation unter Wartenden an einer Ampel im Belfaster Westen, wo einst die Werftarbeiter von Harland & Wolff die Titanic bauten. Guide Rachel aus dem roten Doppeldeckerbus formuliert es so: „Jeder internationale Besucher sorgt allein durch seine Anwesenheit für Frieden – je mehr Touristen kommen, umso sicherer sind wir alle.“