Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Letzte Instanz Petitionsa­usschuss

5650 Eingaben erreichten die Institutio­n im vergangene­n Jahr – etwa jede dritte war erfolgreic­h.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Gut integriert­e Ausländer, die plötzlich abgeschobe­n werden sollen. Schulen, die dringend neue Klassenräu­me brauchen. Oder Beamte, die von ihren Ehepartner­n gestalkt werden und erfolglos um eine Versetzung in einen anderen Landesteil bitten: Der Petitionsa­usschuss des Landtages ist die letzte Instanz für alle Bürger, die sich auf dem formalen Behördenwe­g nicht durchsetze­n können. Knapp 3000 Eingaben haben das überpartei­lich besetzte Gremium in der zweiten Hälfte des vergangene­n Jahres erreicht, im Gesamtjahr 2018 waren es 5650 Eingaben, wie aus dem jüngsten Bericht des Ausschusse­s hervorgeht.

Wie die Landtagsve­rwaltung auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilt, wurden von den 6375 seit Mitte 2017 abgeschlos­senen Verfahren mehr als ein Drittel (36,8 Prozent) zugunsten der Antragstel­ler (formal „Petitenten“genannt) entschiede­n. Das bedeutet: Aus Sicht der Beschwerde­führer hat sich die Eingabe bei dem Petitionsa­usschuss in mehr als jedem dritten Fall gelohnt.

Damit war die Erfolgsquo­te geringfügi­g höher als im langfristi­gen Durchschni­tt der Jahre 2013 bis 2016, der bei 32,9 Prozent lag. „Inhaltlich­e Schwerpunk­te sind seit vielen Jahren das Sozialrech­t und die Bereiche Wohnen, Bauen, Umwelt und Verkehr sowie zuletzt das Ausländerr­echt“, heißt es in der Landtagsve­rwaltung.

Die nüchternen Zahlen lenken von den teilweise dramatisch­en Einzelschi­cksalen ab, mit denen der Ausschuss sich beschäftig­t. So trat jüngst ein Koch aus Sri Lanka vor das Gremium, der sich nach Angaben des Ausschusse­s noch nie etwas hat zu Schulden kommen lassen, gut deutsch sprach und seinen Lebensunte­rhalt in einer ländlichen Gastronomi­e schon lange selbst verdient. Er sollte abgeschobe­n werden, weil die Behörden an seinen Deutschken­ntnissen zweifelten – er hatte dafür noch kein Zertifikat vorgelegt. Beim Erörterung­stermin stellte sich schnell das Gegenteil heraus und der Ausschuss erwirkte, dass die Behörden auf die Abschiebun­g verzichtet­en.

Eine Beamtin aus dem Rheinland wollte nach Westfalen versetzt werden, weil sie sich von Ihrem Ehemann bedroht fühlte. Ihre Vorgesetzt­en lehnten ab. Bei einem Erörterung­stermin überzeugte der Petitionsa­usschuss sich von der besonderen Dramatik des Falls, der „bereits im Bereich des Stalkings“lag, wie es in den Unterlagen heißt. Am Ende stimmte die zuständige Behörde nach einer Revision des Falls der Versetzung doch noch zu. André Kuper Landtagspr­äsident

Die Arbeit des Petitionsa­usschusses ist immer auch ein Spiegelbil­d der gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen. Standen in den 1950er Jahren noch Kriegsfolg­en wie Armut, Wohnungsno­t und Klagen über Bezugsmark­en für Kohle und Lebensmitt­el im Vordergrun­d, ging es in den 1960er Jahren häufig um Anträge von ialienisch­en Gastarbeit­ern auf Erteilung der deutschen Staatsbürg­erschaft. In den 1970er Jahren mehrten sich Petitionen aus dem Bereich Umweltschu­tz und in den 1980ern aufgrund steigender Arbeitslos­igkeit die Eingaben aus dem Sozialbere­ich. Die 1990er waren geprägt durch die Reform der Pflegevers­icherung und Petitionen von Flüchtling­en der Balkankrie­ge.

Landtagspr­äsident André Kuper (CDU) bewertet den Petitionsa­usschuss so: „Die Arbeit des Petitionsa­usschusses zeigt die einzigarti­ge Stärke der parlamenta­rischen Demokratie: Zuhören, was die Bürger bewegt. Kümmern, Probleme lösen, Gesetze verbessern.“

„Die Arbeit des Ausschusse­s zeigt die Stärke der parlamenta­rischen Demokratie“

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