Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Gericht entscheidet über Johnsons Parlamentspause
Drei Tage hat der Oberste Gerichtshof von England gehört, warum die Zwangspause rechtmäßig sein soll und warum nicht.
LONDON (ap) Nach einer dreitägigen Anhörung über die Rechtmäßigkeit der von Premier Boris Johnson verordneten Zwangspause für das Parlament muss der Oberste Gerichtshof Großbritanniens eine Entscheidung fällen. Mit einem Urteil der elf Richter wird frühestens am Freitag gerechnet. Zum Abschluss des Verfahrens warf der frühere Premier John Major seinem Parteikollegen Johnson vor, er habe mit der Vertagung eine Blockade seiner Brexit-pläne durch die Abgeordneten verhindern wollen. Die Regierung bestreitet das. Die Pause in der Zeit vor dem für den 31. Oktober geplanten Eu-austritt habe nichts mit dem Brexit zu tun. Johnson hatte angekündigt, an diesem Tag das Land notfalls auch ohne Abkommen aus der EU zu führen, was das Parlament mehrheitlich ablehnt. Der Premier beharrt darauf, dass er an einer Vereinbarung mit der EU arbeite. Eu-kommissionssprecherin Mina Andreeva bestätigte, neue Dokumente dazu von der britischen Regierung erhalten zu haben.
Majors Anwalt Edward Garnier sagte vor Gericht, es sei eine „unausweichliche“Schlussfolgerung, dass Johnson das Parlament beurlaubt habe, damit seine Brexit-pläne nicht torpediert würden. Die Tatsache, dass er die Gründe dafür nicht offenlegen konnte oder wollte, sei „auffällig“. Sollten die Richter entscheiden, dass die Zwangspause illegal war, müsste Johnson das Parlament wohl wieder tagen lassen. Nach seinen ursprünglichen Plänen sollte die sogenannte Prorogation bis zum 14. Oktober dauern. Für Johnson wäre das die nächste schwere Niederlage. Vor Beginn der Zwangspause hatte die Opposition mit Abweichlern aus Johnsons eigener Partei im Eilverfahren – und gegen den Willen des Premiers – noch ein Gesetz erlassen, das einen Brexit ohne Abkommen unmöglich machen soll.
Nach Angaben der Eu-kommission hat Johnson noch keine konkreten Vorschläge für ein solches neues Abkommen vorgebracht. Finnlands Regierungschef Antti Rinne, dessen Land derzeit den Eu-vorsitz hat, sagte am Donnerstag, wenn es bis Ende September nichts Handfestes aus London gebe, sei „alles vorbei“.
Die Dokumente, deren Erhalt die Kommission am Donnerstag bestätigte, waren nach Angaben aus London vertrauliche Unterlagen, „die die Ideen widerspiegeln, die das Vereinigte Königreich vorgebracht hat. Laut Eu-kommission ging es darin um die zentrale Frage, wie künftig die Grenz- und Zollkontrollen zwischen dem Eu-mitglied Irland und dem britischen Nordirland geregelt werden sollen. Für Freitag war ein Treffen zwischen dem Eu-brexit-unterhändler Michel Barnier und dem britischen Brexit-minister Steve Barclay geplant. Barclay sagte in Madrid, die sechs Wochen bis zum 31. Oktober seien ausreichend, um noch „kreative und flexible Lösungen“für den Brexit zu finden.