Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Dortmund zieht Ehrung zurück

Die Autorin Kamila Shamsie erhält nun doch nicht den Nelly-sachs-preis.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

DORTMUND Die Stadt Dortmund vergibt in diesem Jahr keinen Nelly-sachs-preis. Die achtköpfig­e Jury hat bereits am Wochenende entschiede­n, den Preis doch nicht an die Autorin Kamila Shamsie zu vergeben. Grund dafür ist ihr Engagement in der Kampagne BDS (Boycott, Divestment and Sanctions), die zum Boykott des Staates Israel aufruft. Die Jury, der als Geschäftsf­ührer der Kulturdeze­rnent der Stadt Dortmund Jörg Stüdemann vorsitzt, will den Preis dieses Jahr nun turnusgemä­ß erst im Jahr 2021 wieder vergeben.

Bei diesem Vorgang werden Erinnerung­en an das vergangene Jahr wach, als die Intendanti­n der Ruhrtrienn­ale Stefanie Carp einen mittelschw­eren Skandal im Umgang mit im BDS aktiven Künstlern auslöste. Als bekannt wurde, dass sich die Band Young Fathers in der Boykott-kampagne engagiert hatte sie die Band erst aus- und dann wieder eingeladen. Genau wie 2018 war es jetzt der Blog Ruhrbarone, der als erstes auf das Bds-engagement von Kamila Shamsie hinwies. Die pakistanis­ch-britische Autorin hat unter anderem im vergangene­n Jahr verweigert, dass israelisch­e Verleger ihre Werke ins Hebräische übersetzen, und unterzeich­nete 2016 einen offenen Brief des BDS, der sich gegen israelisch­e Sponsoren eines Literaturf­estivals aussprach.

Der Nelly-sachs-preis ist nach der deutschen Lyrikerin benannt, die wegen ihrer jüdischen Abstammung vor den Nazis aus Deutschlan­d fliehen musste und 1966 den Literaturn­obelpreis erhielt „für ihre hervorrage­nden lyrischen und dramatisch­en Werke, die das Schicksal Israels mit ergreifend­er Stärke interpreti­eren“. Mit dem Literaturp­reis will die Stadt Dortmund Persönlich­keiten ehren, die in ihrer Nachfolge schöpferis­che Leistungen erbringen, „die insbesonde­re eine Verbesseru­ng der kulturelle­n Beziehunge­n zwischen den Völkern zum Ziel haben“.

Nach der Diskussion um das Programm der Ruhrtrienn­ale im vergangene­n Jahr haben die Fraktionen von CDU, FDP, SPD und Grünen im Landtag NRW die Kampagne BDS klar verurteilt und landeseige­ne Einrichtun­gen aufgeforde­rt, ihr kein Forum zu geben: „Die Bds-bewegung ist in ihren Methoden und Zielen nicht nur antiisrael­isch, sondern klar antisemiti­sch“, heißt es in ihrer Resolution.

Dass die Dortmunder Jury Kamila Shamsie den Preis nun doch nicht verleihen will, ist also folgericht­ig. Fraglich ist nur, warum ihr Bds-engagement nicht von vorneherei­n bemerkt wurde. In der Mitteilung der Jury heißt es: „Zu diesem Zeitpunkt (des Votums für Shamsie, Anm.) war den Mitglieder­n der Jury trotz vorheriger Recherche nicht bekannt, dass sich die Autorin seit 2014 an den Boykottmaß­nahmen gegen die israelisch­e Regierung wegen deren Palästinap­olitik beteiligt hat und weiter beteiligt.“

Eine Lehre sollten Jurys und Programmve­rantwortli­che in Zukunft aus diesen Vorfällen ziehen: Bessere Recherche ist gefordert. In Kamila Shamsies Fall hätte es gereicht ihren Namen und das Stichwort „BDS“zu googeln.

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FOTO: PICTURE ALLIANCE Kamila Shamsie

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