Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Staat will Internet-wetten überwachen
Jährlich werden Milliarden mit Sportwetten im Internet umgesetzt. Der Markt wächst seit Jahren. Hunderttausende spielen allein in Deutschland regelmäßig. Nun will der Staat das Spielverhalten der Nutzer in einer Datenbank erfassen.
DÜSSELDORF Es dauert nur wenige Minuten, bis man sich im Internet bei einem der privaten Wettanbieter angemeldet und mit seinem Namen registriert hat. In der Regel erhält man dann einen „Willkommens-bonus“von 20 bis 100 Euro, mit dem man sofort loslegen kann. Getippt werden kann auf so ziemlich jedes Sportereignis; die meisten setzen ihr Geld auf Fußballspiele.
Bis auf den jeweiligen Anbieter, bei dem man spielt, bekommt niemand sonst etwas davon mit. Warum auch, fragen sich die meisten „Internet-zocker“. Schließlich handelt es sich bei dem Großteil von ihnen um Gelegenheitsspieler, die durchschnittlich einmal pro Woche auf Spiele setzen – und das mit einem geringen Betrag von fünf bis zehn Euro. Hunderttausende machen das in Deutschland regelmäßig, und die meisten sind weit davon entfernt, spielsüchtig zu sein.
Doch der Staat sieht das anders und will da nicht länger zugucken. Im Rahmen der Glücksspielregulierung ist nun eine Überwachung aller Spieler geplant, die im Internet spielen. Demnach soll eine staatliche Überwachungsdatei geschaffen werden, in der das Wettverhalten aller Spieler gespeichert und überwacht wird. Die Chefs der Staatsund Senatskanzleien treffen sich gerade in Hamburg, um über das Thema zu beraten. Nach Informationen unserer Redaktion soll dafür eine Behörde (Anstalt des öffentlichen Rechts) geschaffen werden. NRW gehört zu den treibenden Kräften hinter dem Plan.
In einem internen Arbeitspapier aus der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei, das unserer Redaktion vorliegt, wird skizziert, wie die staatlichen Spielerkonten künftig aussehen und funktionieren sollen. „Auf dem Spielerkonto hinterlegt werden die persönlichen, zur eindeutigen Identifizierung des Spielers notwendigen Daten sowie die Daten zum Verlustlimit“, heißt es in dem Schreiben. Mit dem Spielerkonto soll sichergestellt werden, heißt es weiter darin, dass der jeweilige Spieler sein Limit einhält und darüber hinaus nicht noch parallel bei einem anderen Anbieter spielt. Und weiter: „Im Rahmen des Log-out-prozesses übermittelt der Anbieter aus allen getätigten Spielvorgängen die Summe aus Gewinnen und Verluste an das Spielerkonto.“Zudem soll das Spielerkonto bereits bei erstmaliger Registrierung bei einem Anbieter von Sportwetten eingerichtet und ein anbieterübergreifendes Limit festgelegt werden.
Die Bundesländer sollen weitestgehend für die Einführung sein. „Zum Schutz der Spieler sowie Jugendlichen ist es uns wichtig, dass eine einheitliche geltende Sperrdatei geschaffen und ein Wettlimit festgesetzt werden“, argumentiert etwa die Jamaika-koalition in Schleswig-holstein. Die Sprecherin der Fdp-landtagsfraktion in NRW, Nadja Kremser, verwies auf die laufenden Beratungen über die zukünftige Ausgestaltung des Glücksspiels. Dabei stehe die Politik vor der Herausforderung, Verbraucher und suchtgefährdete Menschen zu schützen und dabei gleichzeitig Glücksspielangebote legal zu ermöglichen, so Kremser. Der Hauptausschuss des Nrw-landtags wird sich in einer Sachverständigenanhörung am 26. September mit Details der Glücksspielregulierung befassen. Die FDP will das Ergebnis der Anhörung abwarten.
Die privaten Wettanbieter kritisieren die staatlichen Pläne. „Wir halten es aus rechtsstaatlicher Sicht für äußerst bedenklich, wenn der Staat mittels It-gestützter Überwachungsdatenbanken lückenlos das Spiel- und Ausgabeverhalten aller Bürger überwachen und damit einen gläsernen Spieler schaffen will“, sagt Luka Andric, Hauptgeschäftsführer des deutschen Sportwettenverbandes. „Der Staat unterstellt pauschal jedem Gelegenheits- und sogar jedem einmaligen Spieler, er stünde bereits bei erstmaliger Registrierung unmittelbar vor der Spielsucht“, heißt es aus Kreisen der Wettspielindustrie. „Warum sollte ein Bürger hinnehmen müssen, dass er in einer staatlichen Überwachungsdatei landet, selbst wenn er nur einmal im Jahr fünf Euro auf ein Spiel seines Lieblingsvereins setzt?“
Ein führender Anbieter von Sportwetten erklärt zum Spielerschutz: „Wir lösen so etwas über algorithmusgesteuerte Auswertungen der Spielerkonten. Bestimmte Muster lassen auf problematisches Spielverhalten schließen. Dann setzen mehrstufige Warnsysteme ein, und jeder Spieler erhält gemäß seines individuellen Gefährungspotenzials entsprechende Schutzmaßnahmen.“Auch Andric verwies auf bestehende Schutzmaßnahmen.