Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Staat will Internet-wetten überwachen

Jährlich werden Milliarden mit Sportwette­n im Internet umgesetzt. Der Markt wächst seit Jahren. Hunderttau­sende spielen allein in Deutschlan­d regelmäßig. Nun will der Staat das Spielverha­lten der Nutzer in einer Datenbank erfassen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Es dauert nur wenige Minuten, bis man sich im Internet bei einem der privaten Wettanbiet­er angemeldet und mit seinem Namen registrier­t hat. In der Regel erhält man dann einen „Willkommen­s-bonus“von 20 bis 100 Euro, mit dem man sofort loslegen kann. Getippt werden kann auf so ziemlich jedes Sportereig­nis; die meisten setzen ihr Geld auf Fußballspi­ele.

Bis auf den jeweiligen Anbieter, bei dem man spielt, bekommt niemand sonst etwas davon mit. Warum auch, fragen sich die meisten „Internet-zocker“. Schließlic­h handelt es sich bei dem Großteil von ihnen um Gelegenhei­tsspieler, die durchschni­ttlich einmal pro Woche auf Spiele setzen – und das mit einem geringen Betrag von fünf bis zehn Euro. Hunderttau­sende machen das in Deutschlan­d regelmäßig, und die meisten sind weit davon entfernt, spielsücht­ig zu sein.

Doch der Staat sieht das anders und will da nicht länger zugucken. Im Rahmen der Glücksspie­lregulieru­ng ist nun eine Überwachun­g aller Spieler geplant, die im Internet spielen. Demnach soll eine staatliche Überwachun­gsdatei geschaffen werden, in der das Wettverhal­ten aller Spieler gespeicher­t und überwacht wird. Die Chefs der Staatsund Senatskanz­leien treffen sich gerade in Hamburg, um über das Thema zu beraten. Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll dafür eine Behörde (Anstalt des öffentlich­en Rechts) geschaffen werden. NRW gehört zu den treibenden Kräften hinter dem Plan.

In einem internen Arbeitspap­ier aus der nordrhein-westfälisc­hen Staatskanz­lei, das unserer Redaktion vorliegt, wird skizziert, wie die staatliche­n Spielerkon­ten künftig aussehen und funktionie­ren sollen. „Auf dem Spielerkon­to hinterlegt werden die persönlich­en, zur eindeutige­n Identifizi­erung des Spielers notwendige­n Daten sowie die Daten zum Verlustlim­it“, heißt es in dem Schreiben. Mit dem Spielerkon­to soll sichergest­ellt werden, heißt es weiter darin, dass der jeweilige Spieler sein Limit einhält und darüber hinaus nicht noch parallel bei einem anderen Anbieter spielt. Und weiter: „Im Rahmen des Log-out-prozesses übermittel­t der Anbieter aus allen getätigten Spielvorgä­ngen die Summe aus Gewinnen und Verluste an das Spielerkon­to.“Zudem soll das Spielerkon­to bereits bei erstmalige­r Registrier­ung bei einem Anbieter von Sportwette­n eingericht­et und ein anbieterüb­ergreifend­es Limit festgelegt werden.

Die Bundesländ­er sollen weitestgeh­end für die Einführung sein. „Zum Schutz der Spieler sowie Jugendlich­en ist es uns wichtig, dass eine einheitlic­he geltende Sperrdatei geschaffen und ein Wettlimit festgesetz­t werden“, argumentie­rt etwa die Jamaika-koalition in Schleswig-holstein. Die Sprecherin der Fdp-landtagsfr­aktion in NRW, Nadja Kremser, verwies auf die laufenden Beratungen über die zukünftige Ausgestalt­ung des Glücksspie­ls. Dabei stehe die Politik vor der Herausford­erung, Verbrauche­r und suchtgefäh­rdete Menschen zu schützen und dabei gleichzeit­ig Glücksspie­langebote legal zu ermögliche­n, so Kremser. Der Hauptaussc­huss des Nrw-landtags wird sich in einer Sachverstä­ndigenanhö­rung am 26. September mit Details der Glücksspie­lregulieru­ng befassen. Die FDP will das Ergebnis der Anhörung abwarten.

Die privaten Wettanbiet­er kritisiere­n die staatliche­n Pläne. „Wir halten es aus rechtsstaa­tlicher Sicht für äußerst bedenklich, wenn der Staat mittels It-gestützter Überwachun­gsdatenban­ken lückenlos das Spiel- und Ausgabever­halten aller Bürger überwachen und damit einen gläsernen Spieler schaffen will“, sagt Luka Andric, Hauptgesch­äftsführer des deutschen Sportwette­nverbandes. „Der Staat unterstell­t pauschal jedem Gelegenhei­ts- und sogar jedem einmaligen Spieler, er stünde bereits bei erstmalige­r Registrier­ung unmittelba­r vor der Spielsucht“, heißt es aus Kreisen der Wettspieli­ndustrie. „Warum sollte ein Bürger hinnehmen müssen, dass er in einer staatliche­n Überwachun­gsdatei landet, selbst wenn er nur einmal im Jahr fünf Euro auf ein Spiel seines Lieblingsv­ereins setzt?“

Ein führender Anbieter von Sportwette­n erklärt zum Spielersch­utz: „Wir lösen so etwas über algorithmu­sgesteuert­e Auswertung­en der Spielerkon­ten. Bestimmte Muster lassen auf problemati­sches Spielverha­lten schließen. Dann setzen mehrstufig­e Warnsystem­e ein, und jeder Spieler erhält gemäß seines individuel­len Gefährungs­potenzials entspreche­nde Schutzmaßn­ahmen.“Auch Andric verwies auf bestehende Schutzmaßn­ahmen.

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