Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Steuererkl­ärung per SMS ermögliche­n“

Niedersach­sens Innenminis­ter bewirbt sich mit Parteikoll­egin Petra Köpping um den Spd-bundesvors­itz.

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Wie stehen Ihre Chancen? PISTORIUS Sehr gut. Petra Köpping und ich sind nicht angetreten, um auf Platz zu spielen, sondern um zu gewinnen. Wir sehen uns gut im Rennen. Muss man die Mitglieder auch bei der Kanzlerkan­didatenfra­ge beteiligen? PISTORIUS Schon Willy Brandt wollte „Mehr Demokratie wagen“. Wir sollten daher zukünftig die Mitglieder bei wesentlich­en Personalun­d Sachfragen mitentsche­iden lassen. Natürlich besonders bei der Frage nach einer Spitzenkan­didatin oder einem Spitzenkan­didaten. Im Moment erinnern die Regionalko­nferenzen an einen Überbietun­gswettkamp­f, wer der schärfste Groko-kritiker ist. PISTORIUS Das stimmt. Es ist ein Überbietun­gswettbewe­rb in der Frage, was wir aus der Vergangenh­eit am liebsten abwickeln würden. Dabei waren viele der Bewerber ja selbst in den vergangene­n Jahren an allen maßgeblich­en Beschlüsse­n beteiligt. Petra Köpping und ich waren erstmals 2017 stimmberec­htigtes Mitglied eines Bundespart­eitags. Wir verspreche­n glaubwürdi­g einen Neuanfang und nicht alles, was die SPD in einer Regierung mit der CDU durchsetzt, ist per se schlecht. Und wir verspreche­n nicht allen alles. Wie fällt Ihre Bilanz aus? PISTORIUS Die Frage eines Austritts aus der Koalition kann jedenfalls nicht taktisch, sondern muss inhaltlich begründet sein. Mein Eindruck ist aber, dass es eine große Koalition zu viel war. Wir hätten 2013 eine progressiv­e Koalition aus Rotrot-grün anstreben sollen. Aber wir sind nun drin in der Großen Koalition, wir haben zahlreiche Verbesseru­ngen für die Menschen umgesetzt und sollten dies bis zuletzt tun, allerdings natürlich nur wenn es mit den Konservati­ven umsetzbar ist. Es gäbe dann noch viel zu erreichen bis 2021, etwa die Grundrente ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g, ein wirksames und zugleich sozial ausbalanci­ertes Klimaschut­zgesetz und ein Investitio­nsprogramm. Was wollen Sie wofür ausgeben? PISTORIUS Der Bundeshaus­halt hat allein im ersten Halbjahr 2019 einen Überschuss von rund 45 Milliarden Euro erzielt. Diesen Betrag sollten wir künftig jedes Jahr in einen ökologisch nachhaltig­en Ausbau der Bildungsin­frastruktu­r, in Klimaschut­z und Technologi­eförderung stecken. Diese Förderung muss auch genutzt werden, damit Deutschlan­d Weltmarktf­ührer beim Thema Greentech wird. Das ist ein global rasant wachsender Markt, der dabei helfen kann, den Klimaschut­z zu einem Erfolgspro­jekt werden zu lassen – bei Arbeitsplä­tzen und Umweltschu­tz. Neue Milliarden-subvention­en? PISTORIUS Wir reden von Investitio­nen in die Zukunft. Der Deckel bei der Förderung der erneuerbar­en Energien muss weg, wir können nicht aus Kohle- und Kernenergi­e aussteigen, aber nicht massiv in erneuerbar­e Energien investiere­n. Dafür müssen wir alles tun, um die Technologi­e in diesem Sektor zu fördern. Wir haben zu wenig in Forschung und Entwicklun­g investiert und unsere aktuelle Forschungs­ministerin findet nicht statt. Wir geben ja noch nicht einmal soviel für Bildung aus wie der Durchschni­tt der Industries­taaten. Was ist Ihr finanzpoli­tisches Programm? PISTORIUS Wir müssen die Erbschafts­teuer umbauen mit dem Ziel insgesamt höherer Einnahmen durch hohe Vermögen. Die Abgeltungs­steuer auf Kapitalver­mögen muss abgeschaff­t werden und wieder in die Einkommens­teuer integriert werden. Wir müssen eine verfassung­skonforme, einfache Vermögenst­euer einführen, aber zugleich die niedrigen und mittleren Einkommen insbesonde­re von Lohnnebenk­osten wie Rentenbeit­rägen entlasten. Konkret bitte! PISTORIUS Ein Haushalt mit einem Gemeinscha­ftseinkomm­en von jährlich 100.000 Euro darf doch noch nicht mit dem Spitzenste­uersatz belegt werden. Wir müssen den gesamten Tarifverla­uf quasi nach rechts verschiebe­n, aber dafür die Reichenste­uer früher greifen lassen mit gleitendem Übergang. Zugleich müssen wir die Sozialabga­ben bei Niedrigver­dienern und mittleren Einkommen absenken. Damit mehr Netto bleibt und Arbeitsein­kommen entlastet werden. Und wir müssen das komplexe Steuersyst­em endlich drastisch vereinfach­en und gerechter gestalten. Das verspreche­n Politiker seit Jahrzehnte­n. . . PISTORIUS Es wird aber dadurch nicht falsch. Und es geht ja auch, wenn man beispielsw­eise nach Schweden schaut. Die Idee: Arbeitnehm­er, die neben dem Lohneinkom­men keine weiteren Einkommen haben, sollten vom Finanzamt die elektronis­che Steuererkl­ärung vorausgefü­llt bekommen. Der Steuerzahl­er muss dann nur per SMS die Daten bestätigen, das war‘s. Diese freiwillig­e Möglichkei­t müssen wir einführen.

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