Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Unzureichende Kontrollen
Eine Doku setzt sich mit der Gefahr der Verbreitung von Kinderfotos im Internet auseinander.
DÜSSELDORF (ry) Vor Kurzem sorgte die Nachricht für Schlagzeilen, dass gegen einen ehemaligen Fußballnationalspieler ermittelt wird, weil er unter Verdacht steht, kinderpornografische Dateien übers Handy verschickt zu haben. Wie viel an der Sache dran ist, werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf zeigen, die den Fall nun übernommen hat. Generell ist es aber ein Problem, das Fotos von Kindern im Zeitalter des Internets weitgehend unbemerkt im Netz massenhaft geklaut und von Pädophilen für sexuelle Zwecke missbraucht wird. Des Weiteren knüpfen Erwachsene in Chats beliebter Online-spiele wie „Clash of Clans“ungehindert sexuelle Kontakte mit Zehnjährigen. Kinder und Jugendliche sind im Internet oft sexualisierter Gewalt ausgesetzt, ohne dass Industrie und Politik etwas dagegen unternehmen.
In der Dokumentation „Kinderfotos im Netz: gepostet, geklaut, missbraucht“hält der Missbrauchsbeauftrage der Bundesregierung, Johannes-wilhelm Rörig, frustriert fest: „Kinder- und Jugendschutz findet derzeit im Internet nicht statt.“Gesetzliche Regelungen, die für mehr Schutz sorgen könnten, stammen aus dem Jahr 2003 und sind „der tatsächlichen Entwicklung Jahrzehnte hinterher.“Autor Sebastian Bellwinkel zieht in seinem Film eine ernüchternde Bilanz: Es scheint, als habe der große Aufschrei über massive Missbrauchsfälle vor acht Jahren am Canisius-kolleg, an der Odenwaldschule und anderen Einrichtungen nichts bewirkt. Aktuell entsteht in der digitalen Welt die nächste Generation Betroffener. Nach einer Studie der Universität Regensburg geben rund 730 000 Erwachsene zu, sexuelle Online-kontakte zu Kindern unter 14 Jahren zu haben. „Rechnet man konservativ mit zwei bis fünf Kontakten pro Täter, reden wir über weit mehr als drei Millionen betroffene Kinder und Jugendliche“, sagt die Psychologin Julia von Weiler vom Verein „Innocence in Danger.“
Die Doku macht deutlich, dass insbesondere Eltern genauer hinschauen und verstehen müssen, wo ihre Kinder im Internet unterwegs sind und wer ihnen dort begegnen kann. Doch oft fehle ihnen die Medienkompetenz. Eine fatale Entwicklung, wie mehrere Experten warnen. Stattdessen posten viele selbst Fotos ihrer Kinder in sozialen Medien und bieten pädosexuellen Tätern so gratis Bildernachschub.
Ein Beispiel für das Wegsehen von Industrie und Politik ist das Zustandekommen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (Netzdg). Das hatte der damalige Justizminister Heiko Maas auf den Weg gebracht, um Betreiber sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter zu einem aktiveren Vorgehen gegen hetzerische Aussagen zu bringen. Nach dem Referentenentwurf dieses Gesetzes sollten auch Anbieter vieler Online-spiele dazu gehören. „Das hätte dazu führen können, dass in den Chats geschulte Moderatoren eingesetzt werden, die auch stärker gegen sexuelle Anmache hätten vorgehen müssen“, sagt der renommierte Cyberkriminologe Thomas-gabriel Rüdiger. Mit einem Jahresumsatz von zuletzt 3,3 Milliarden Euro verfügt die Spiele-branche eigentlich auch über die finanziellen Mittel. Die Dokumentation zeigt, wie die Lobby der Onlinespiele-betreiber Druck gemacht hat, sodass sie schließlich von dem Gesetz ausgenommen wurden. „Cybergrooming, also die Anbahnung sexueller Online-kontakte von Erwachsenen mit Kindern, spielt im Gaming nicht so eine starke Rolle“, behauptet Felix Falk, Geschäftsführer des Branchenverbandes. Dem widersprechen zahlreiche Experten, unter anderen Johannes-wilhelm Rörig: „Es ist ein Riesenproblem, und es ist ein völlig unterschätztes Problem.“
Die Große Koalition aus CDU/ CSU und SPD hat im Koalitionsvertrag zwar angekündigt, pädokriminelle Täter, die im Netz aktiv sind, konsequent zu verfolgen. Doch getan wird dafür bislang zu wenig. Es muss sich noch viel ändern. Kinderfotos im Netz: gepostet, geklaut, missbraucht, 20.15 Uhr, 3 SAT