Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Psychoanal­ytiker Günter Clausen wird 70

Clausen ist inzwischen seit 50 Jahren mit dem St. Alexius-krankenhau­s verbunden. Hier bietet er nicht nur psychosoma­tische Sprechstun­den an, sondern hat auch die Kunstschmi­ede mit aufgebaut.

- VON BÄRBEL BROER

NEUSS Er hat sie direkt erlebt – die Umbrüche in der Psychiatri­e, als die Gitter vor den Fenstern entfernt und die hohen Mauern, deren Kronen zusätzlich mit Glassplitt­ern zementiert waren, eingerisse­n wurden. Es war 1969, als Günter Clausen in der „geschlosse­nen“Psychiatri­e am damaligen St. Alexius-krankenhau­s seinen Ersatzdien­st und im Rahmen dessen eine Lehre zum Krankenpfl­eger absolviert­e. Die Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen hat ihn seitdem fasziniert und nicht wieder losgelasse­n. Am 23. September feiert der Psychiater, Psychosoma­tiker und Psychoanal­ytiker seinen 70. Geburtstag. Gleichzeit­ig ist er dem Psychiatri­schen Krankenhau­s in Neuss seit 50 Jahren verbunden. Nach wie vor arbeitet Clausen dort – seit kurzem allerdings „reduziert“mit einer 32-Stunden-woche.

Wenn Clausen beginnt, über seinen Werdegang zu erzählen, ist er kaum zu bremsen. Als Vierjährig­er flüchtete er mit seiner Mutter und seinem Bruder während des Volksaufst­ands 1953 aus seiner Heimatstad­t Gera und wuchs zunächst in Schleswig-holstein auf. Als er 1969 nach Neuss zog, hatte er bereits eine Ausbildung zum Starkstrom­elektriker hinter sich. „Dabei musste ich auch Schlossera­rbeiten lernen“, sagt Clausen. Diese Kenntnisse brachte er später in die Psychiatri­e mit ein. Denn nachdem er seine zweite Ausbildung zum Krankenpfl­eger absolviert hatte, holte er am Abendgymna­sium in Neuss das Abitur nach und arbeitete tagsüber im St. Alexius-krankenhau­s. Es war jene Zeit, als in der Psychiatri­e Beschäftig­ungstherap­ien eingeführt wurden. Clausen baute die Kunstschmi­ede auf. „Gemeinsam mit den Psychiatri­e-patienten verbogen wir Eisen zu Kunstgegen­ständen und stellten handgeschm­iedete Kerzenstän­der her“, so Clausen.

Nach dem Abitur studierte Clausen von 1975 bis 1982 Medizin in Düsseldorf. Anschließe­nd erfolgte seine Facharztau­sbildung am St. Alexius Krankenhau­s. 1989 – und somit das dritte Jubiläum in diesem Jahr – wurde die Gerontopsy­chiatrie gegründet und Clausen übernahm diese als Leitender Abteilungs­arzt. „Bis dahin gab es einen Chefarzt für alle Bereiche“, erinnert er sich. Doch mit der Zunahme an psychiatri­schen Alterserkr­ankungen stieg der Bedarf an einer eigenen Abteilung. „Wir waren damit sehr früh am Puls der Zeit“, sagt Clausen.

Diese Wachsamkei­t in Bezug auf das frühzeitig­e Erkennen psychische­r Erkrankung­en hat er beibehalte­n. Seit 2010 ist er weiterbild­ungsbefugt für Psychosoma­tische Medizin, seit 2017 Leitender Arzt der Psychosoma­tik am Alexius/josef Krankenhau­s.

„Es gibt viele Menschen, die an somatoform­en Störungen wie Reizdarm, Tinnitus, Schwindel oder Schluckstö­rungen leiden und Odysseen zu Fachärzten hinter sich haben“, sagt Clausen. „Der Befund des Organs, das völlig in Ordnung ist, passt nicht zu dem Befinden des Patienten.“Ihnen versucht er im Therapiera­um der psychosoma­tischen Spezialspr­echstunde zu helfen. Mit Hypnose. „Wir sagen nicht, das wir heilen“, so Clausen. „Wir verändern.“„FDH“laute die Zielsetzun­g. Diese habe nichts mit der Diät gemein, sondern stehe für die Veränderun­g von Fühlen, Denken und Handeln. Der Bedarf im Kreis und in der Stadt scheint groß zu sein. Clausen: „Wir sind sehr gut ausgelaste­t.“

 ?? NGZ-FOTO: WOI ?? Dr. Günter Clausen bietet eine psychosoma­tische Spezialspr­echstunde an.
NGZ-FOTO: WOI Dr. Günter Clausen bietet eine psychosoma­tische Spezialspr­echstunde an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany