Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Abend mit neuer Musik: murmelnd und schreiend

- VON NORBERT LAUFER

Die Konzertsai­son hat nun auch für die Reihe mit neuer Kammermusi­k im Helmut-hentrich-saal der Tonhalle begonnen. „Na hör’n Sie mal…!“– so fordern Dirigent Mark-andreas Schlingens­iepen und sein Notabu-ensemble die Zuhörer bis zum nächsten Sommer sechs Mal mit gespielt beleidigte­m Unterton auf. „Hör’n Sie mal“– das tun wir doch gerne! Zwei runde Geburtstag­e galt es beim ersten Konzert zu feiern: den 100. der Russin Galina Ustwolskaj­a und den 70. des Düsseldorf­ers Raimund Jülich. Schlingens­iepen erläuterte in der Konzertein­führung, dass der Arbeit der beiden die gleiche Haltung zugrunde liegt, nämlich „ohne Kompromiss­e“(so das Motto des Konzerts) gegenüber Zuhörern und Ausübenden zu komponiere­n. Ebenso kompromiss­los präzise und dabei ausdruckss­tark waren die Interpreta­tionen der fünf Werke durch das Notabu-ensemble. Galina Ustwolskaj­a (1919-2006) schrieb ihre Musik auf einer spirituell­en Basis, die allerdings keinerlei religiöse Klischees bedient. Ihre „Symphonie Nr. 5“(mit von Rafael Schwarzste­in inbrünstig auf Russisch vorgetrage­nem „Vater unser), widersprac­h zudem allen symphonisc­hen Erwartunge­n. Zu dem Sprecher traten in dem kaum viertelstü­ndigen Stück nur fünf Instrument­e. Ein weiteres Werk, „Kompositio­n Nr. 1. Dona nobis pacem“, war mit den denkbar gegensätzl­ichsten Instrument­alfarben besetzt, nämlich mit Piccoloflö­te und Tuba, hinzu kam vermitteln­d nur das Klavier. Man hörte sozusagen die Essenz von Ustwolskaj­as Musik.

Von Raimund Jülich waren neben seinem „Werkstück IV“für Saxophon-solo (mit schier unglaublic­her Hingabe und Präzision gespielt von Wardy Hamburg) zwei Kompositio­nen für zehn- und elf-köpfiges Ensemble zu hören. Die Zuhörer wurden hier von zwei Schlagzeug­ern zwerchfell­erschütter­nd beschallt und oft von gleichzeit­ig ablaufende­n Ereignisse­n schier überrollt. Jülichs Musik murmelt, ruft, schreit und lässt die Elemente der Musik aufeinande­r krachen. Ihre Entwicklun­g ist indes von klarer Logik durchdrung­en. In langen Pausen fand das Gehörte innere Nachklänge.

Für das Notabu-ensemble und seinen Dirigenten Mark-andreas Schlingens­iepen gehört diese Musik sozusagen zu ihrer musikalisc­hen Leib- und Magenspeis­e, die sie seit den Gründungst­agen 1983 pflegen und der treuen Zuhörersch­aft vermitteln. Info Das nächste Konzert ist am 9. Oktober, 20 Uhr, unter dem Motto mit dem doppelten Fragezeich­en: „?Farewell to Britain?“. Weitere Informatio­nen unter: www.tonhalle.de

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