Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Streit zwischen Trump und Biden verschärft sich
Der Us-präsident steht im Verdacht, die Ukraine bedrängt zu haben, belastendes Material gegen seinen politischen Gegner zu liefern.
WASHINGTON Ist es ein handfester Skandal? Oder, wie Donald Trump behauptet, viel Lärm um nichts? Im Raum steht der Verdacht, dass der amerikanische Präsident die Regierung der Ukraine zu Ermittlungen drängte, um Joe Biden, womöglich im nächsten Jahr sein Kontrahent bei der Wahl, in die Bredouille zu bringen. Zudem geht es um die Frage, ob Trump Militärhilfe für das osteuropäische Land solange blockierte, bis er in Kiew seinen Willen durchsetzen konnte.
Begonnen hat es im August, als der Mitarbeiter eines Us-geheimdiensts Alarm schlug. Der Beamte, unbestätigten Berichten zufolge bei der NSA beschäftigt, wandte sich an den Generalinspekteur der Geheimdienste. Der wiederum stufte den Fall als so dringlich ein, dass er den „Director of National Intelligence“verständigte, den für die Schlapphüte zuständigen Koordinator. Der wiederum hätte eigentlich das Parlament unterrichten müssen, was er freilich unterließ, womit er den Verdacht der Vertuschung nährte.
Am 25. Juli also sprach Trump am Telefon mit Wolodimir Selenskij, dem Präsidenten der Ukraine, und was beide beredeten, soll den Whistleblower derart irritiert haben, dass er sich an die interne Kontrollinstanz wandte. Wie das „Wall Street Journal“inzwischen berichtete, soll Trump im Laufe der Unterredung nicht weniger als acht Mal darauf gedrängt haben, die Geschäfte von Bidens jüngstem Sohn noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Hintergrund: Hunter Biden saß fünf Jahre lang im Aufsichtsrat von Burisma, eines Konzerns, der ukrainische Erdgasvorkommen erschließt. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, räumte er seinen Posten, als sein Vater im April seine Kandidatur fürs Weiße Haus bekanntgab. Rudy Giuliani, einst Bürgermeister New Yorks, heute Trumps Anwalt, drängte seinerseits bereits seit Längerem in Kiew darauf, wegen Korruptionsverdachts gegen den Biden-spross zu ermitteln. Der Us-präsident, vermuten zumindest dessen Widersacher, wollte der Sache an jenem Julitag Nachdruck verleihen.
Tags zuvor war Robert Mueller, der Sonderermittler, der eventuellen Geheimabsprachen des trumpschen Wahlkampfteams mit Russland auf den Grund gehen sollte, im Kongress aufgetreten. Mit der Anhörung, die nichts Neues zutage förderte, war das leidige Russlandkapitel in Trumps Augen endgültig abgehakt. Er suchte die Offensive, nun offenbar fest entschlossen, Belastendes für die zu erwartende Schlammschlacht gegen Biden zu finden. In der Ukraine sah er Angriffspunkte. Dort war im Frühjahr 2016 der damalige Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin gefeuert worden. Während Giuliani behauptet, der Mann habe sein Amt verloren, weil er sich weigerte, sich dem damaligen Vizepräsidenten Biden zu fügen und Nachforschungen gegen das Gasunternehmen Burisma einzustellen, nannte die Zeitschrift „New Yorker“in einem gründlich recherchierten Dossier andere Gründe. Demnach drängten der Internationale Währungsfonds, die Europäische Union und die Us-regierung in konzertierter Aktion auf Schokins Entlassung, weil er nicht energisch genug gegen die Korruption ankämpfte. Es ist eine Darstellung, die Trump nicht gelten lassen will. Das wahre Problem, twitterte er am Wochenende, sei die Forderung Bidens, den ukrainischen Chefankläger zu feuern, um seinen Sohn Hunter zu schützen.
Die Opposition sieht darin ein Manöver, mit dem Trump von sich abzulenken versuche. Adam Schiff, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Abgeordnetenhaus, sieht unter Umständen sogar die Voraussetzungen für ein Amtsenthebungsverfahren erfüllt. Mit dem Telefonat mit Selenskij könnte Trump „den Rubikon überschritten“ haben, sagte er. Was die Demokraten vor allem verlangen, sind Antworten auf die Frage, ob Trump ein Paket über 250 Millionen Dollar Militärhilfe für die Ukraine zurückhielt, bis Selenskij ihm versprach, seinen Wunsch zu erfüllen. Belege dafür gibt es einstweilen nicht. Unklar ist vorläufig auch, ob Trump das Thema damals überhaupt angeschnitten hat.
Joe Biden wiederum besteht darauf, den Wortlaut des Telefonats öffentlich zu machen und eine parlamentarische Untersuchung folgen zu lassen. „Dies scheint ein schockierender Fall von Machtmissbrauch zu sein“, sagte er, sichtlich erregt, bei einem Wahlkampfauftritt in Iowa. „So etwas haben wir noch nie gesehen, bei keinem Präsidenten.“Weil Trump wisse, dass er, Biden, ihn im direkten Duell „wie eine Trommel“schlagen werde, greife er zu solchen Methoden.