Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Pinterest ist nicht sozial, es ist persönlich“

Pinterest sei anders als Instagram und Co., sagt Gründer Evan Sharp. Als Beweis dient ihm ein sehr persönlich­es Beispiel.

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DÜSSELDORF Der Mann, der im Foyer des Düsseldorf­er Hotels Interconti­nental sitzt, wirkt völlig unscheinba­r. Dabei ist der studierte Architekt einer der erfolgreic­hsten Gründer im Silicon Valley – und angeblich mit 37 Jahren bereits Milliardär. 2009 hat Sharp die Online-pinnwand Pinterest erfunden. Trotzdem wirkt er bodenständ­ig, ruhig, nahbar. Und neugierig: Im Interview stellt er direkt selbst die erste Frage: „Was merken Sie sich auf Pinterest?“, will er wissen. Herr Sharp, was macht ein Gründer aus dem Silicon Valley in Düsseldorf? SHARP Wir machen hier eine wirklich tolle Reise. Ben Silberman, unser CEO und Mitgründer von Pinterest, und ich nehmen uns einmal im Jahr Zeit, um uns mit unseren Nutzern zu treffen. Dieses Jahr sind wir zum ersten Mal außerhalb der USA unterwegs. Was fragen Sie die Nutzer, die Sie auf Ihrer Reise durch Europa treffen? SHARP Wir fragen sie nach ihren Erfahrunge­n und ob sie uns ihr Profil zeigen können. Wir fragen auch, was sie künftig auf Pinterest sehen wollen. Und da wird es spannend: Wir hören in Europa Dinge, die wir niemals in Kalifornie­n hören würden. In Rotterdam habe ich zum Beispiel mit einem Polizisten gesprochen, der motivieren­de Zitate auf Pinterest speichert. Ich dachte, er würde die Zitate vielleicht gerne auf Niederländ­isch übersetzt haben, aber er fand, auf Englisch seien sie viel besser. Das ist etwas, das ich nur erfahre, wenn ich direkt mit den Nutzern rede. Welche Rolle spielt Deutschlan­d für Pinterest? SHARP Deutschlan­d ist seit vielen Jahren ein starker Markt für uns, rein von der Einwohnerz­ahl her natürlich relevant, aber auch als Werbemarkt interessan­t. Wir haben Teams in Berlin und Hamburg und wachsen stetig weiter. Aus Deutschlan­d heraus werden in Zukunft auch weitere Märkte gesteuert. Im März führte Pinterest hierzuland­e werbliche „Pins“ein. Wird Pinterest seiner Beschreibu­ng als „der letzte positive Ort im Internet“neben Facebook und Co. damit überhaupt noch gerecht? SHARP Pinterest unterschei­det sich sehr stark von Facebook oder Instagram. Pinterest ist nicht sozial. Pinterest ist persönlich. Es ist kein Ort, an dem man sich anschaut, was die anderen machen. Es ist ein Ort, an dem man darüber nachdenken und träumen kann, was man selber möchte. Also hat Werbung auf Social Media eine andere Wirkung auf Nutzer? SHARP Auf Facebook fühlt sich eine Werbeanzei­ge zwischen all den Informatio­nen über Bekannte und Freunde komisch an. Es ist der falsche Kontext dafür. Auf Pinterest wiederum stammt vieles, was man sieht, ohnehin von einer Firma oder einer Marke – ohne, dass dafür gezahlt wird. Eine Marke ist dort nicht fehl am Platz. Auch wenn wir oft mit diesen Unternehme­n zusammenge­worfen werden: Pinterest – und ich habe vor vielen Jahren selbst mal bei Facebook gearbeitet – unterschei­det sich grundsätzl­ich von ihnen. Im April ging Pinterest an die Börse. Der Kurs hat seitdem von rund 24 auf mehr als 30 Dollar zugelegt. War der Schritt immer geplant? SHARP Es hat sich nach einem wichtigen Schritt angefühlt – herauszuko­mmen und irgendwie erwachsen zu werden. Es war immer etwas, worauf wir hingearbei­tet haben. Aber es benötigt sehr viel Fleiß und Reife, um es gut zu machen. Letzten Endes war es ein Schritt, der dem Markt signalisie­ren sollte: Wir sind hier, um zu bleiben. Im vergangene­n Quartal verzeichne­te Pinterest allerdings einen Verlust von 41,4 Millionen Dollar. SHARP Man würde denken, dass wir jeden Tag den Aktienkurs checken – doch das tun wir nicht. Ich schaue höchstens ein oder zwei Mal die Woche danach. Denn eine Sache, die uns immer und immer wieder geraten wurde, war, dass wir uns darauf fokussiere­n müssen, etwas Langfristi­ges zu schaffen. Es ist leicht, nur den nächsten Monat zur Priorität zu machen. Wir verbringen deshalb die meiste Zeit damit, zwei oder drei Jahre im Voraus zu denken. Wenn Sie auf die letzten fast zehn Jahre seit der Gründung 2010 zurückblic­ken: Sie können auf viele persönlich­e Daten zugreifen, etwa wer an welchem Ort wann nach welchen Stichworte­n sucht. Welchen Stellenwer­t hat Anonymität im Internet? SHARP Es ist etwas, das wir sehr ernst nehmen. Früher war bei Pinterest noch alles öffentlich: Jeder konnte sehen, was ein anderer pinnte. Damals war es die am meisten nachgefrag­te Funktion, die Pinnwände geheim schalten zu können. Also haben wir das ermöglicht. Ich erinnere mich noch an die Zeit bei Facebook, wie komplizier­t alles war in Bezug auf das Teilen, wer was sehen soll oder darf. Dort gibt es 15 verschiede­ne Möglichkei­ten, etwas privat zu stellen, bei Pinterest gibt es nur zwei: öffentlich oder privat. Die Nutzer sollen sich nicht darüber sorgen, ob sie die richtigen Sicherheit­seinstellu­ngen gewählt haben. Das richtig zu machen, ist Aufgabe des Services, den sie nutzen. Ich selbst profitiere davon: Ich habe auch viele geheime Pinnwände. Verraten Sie uns, welche das sind? SHARP Oh, das ist peinlich (lacht). Ich habe eine Pinnwand, auf der ich Fotos von Männern mit langen Haaren gespeicher­t habe. Ich habe mal überlegt, mir meine Haare lang Hat Pinterest Ihr eigenes Nutzerverh­alten geändert? SHARP Das hat es. Ich nutze Social Media so gut wie gar nicht mehr. Ich bin noch angemeldet, aber ich schaue nicht mehr danach. Das hat weniger damit zu tun, dass ich darauf achten will, es weniger zu nutzen. Ich habe vor allem gemerkt, dass ich das Gefühl, das Social Media mir gibt, nicht mag. Wenn ich Pinterest öffne, fühle ich mich inspiriert, anstatt erschöpft wie bei Social Media.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Pinterest-gründer Evan Sharp sitzt Anfang September im Hotel Interconti­nental an der Düsseldorf­er Königsalle­e.

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