Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der grüne Strukturwa­ndel hat begonnen

Mit dem für 2038 verkündete­n Kohleausst­ieg wird die landwirtsc­haftliche Rekultivie­rung wohl bis 2050 im Rheinische­n Revier beendet sein. Der grüne Strukturwa­ndel beginnt aber erst für die Forschungs­stelle Rekultivie­rung.

- VON GUNDHILD TILLMANNS

GREVENBROI­CH/JÜCHEN Die wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se aus mittlerwei­le 25-jähriger Rekultivie­rungspraxi­s im Rheinische­n Revier sind „ein riesengroß­er Schatz, den es für die Nachwelt zu erhalten gilt“: Das betonen Gregor Eßer und Werner Sihorsch. Eßer ist seit 2016 Leiter der Forschungs­stelle Rekultivie­rung auf Schloss Paffendorf, und Werner Sihorsch ist dessen Vorgesetzt­er. Er ist als Abteilungs­leiter für die Bereiche Landwirtsc­haft, Forstwirts­chaft und Ökologie zuständig. Sihorsch verfolgt und gestaltet die Rekultivie­rung bei RWE bzw. Rheinbraun von Anfang an.

Und nach 25 Jahren zeichne sich zwar mit dem für 2038 angekündig­ten Kohleausst­ieg das Ende der landwirtsc­haftlichen Rekultivie­rung ab. Das Jahr 2050 sei da die Wegmarke. Doch der grüne Strukturwa­ndel beginne jetzt, kündigt Gregor Eßer an. Und der sei eine Aufgabe für „noch sehr viele Jahre“, wissen Beide. Eine spannende und neue Herausford­erung werde dabei die ökologisch­e Begleitung bei der Anlage für den geplanten großen See: „Das

„„Im Strukturwa­ndel geht es auch um die grünen Standortfa­ktoren“Gregor Eßer Leiter der Forschungs­stelle Rekultivie­rung

ist für uns Neuland, und wir werden sicherlich die ökologisch­e Begleitung übernehmen“, freut sich Eßer.

Er beschreibt den grünen Strukturwa­ndel so: „Im Strukturwa­ndel geht es nicht nur um die Arbeitsplä­tze, sondern auch um die weichen Standortfa­ktoren, die die Lebensqual­ität im Rheinische­n Revier schaffen.“Eine ganz wichtige, zukunftsge­richtete weitere Aufgabe der Forschungs­stelle Rekultivie­rung, die ihre vielzählig­en „Freilandla­bore“jedes Jahr im Durchschni­tt zehn Universitä­ten auch internatio­nal zur Verfügung stellt, sieht Werner Sihorsch auch künftig im weiteren Wissenstra­nsfer.

Gerade in dieser Woche hielt sich zum Beispiel eine Gruppe von Brasiliane­rn zu einem Seminar mit Sihorsch auf Schloss Paffendorf auf. Die Experten aus den brasiliani­schen Erzbergwer­ken wollten von den rheinische­n Rekultivie­rungserken­ntnissen Übertragba­res für ihre Praxis erlernen.

Für Sihorsch ist das Nonplusult­ra der Rekultivie­rung der ganz frühe Beginn eines regelrecht­en Bodenmanag­ements mit einer Bodeninven­tur: „Noch bevor der erste Bagger kommt, setzen wir schon mit der Rekultivie­rungsplanu­ng an“, verrät er ein offenes Geheimnis, wie der spätere Bodenaufba­u und die Bodenquali­tät erreicht werden. Dabei leiste das schon im Jahr 1961 in Nordrhein-westfalen verabschie­dete „Lössabkomm­en“bis zum heutigen Tage gute Dienste. Denn anders, als etwa auf den Tagebaukip­pen in der ehemaligen DDR oder in Osteuropa, werden laut Sihorsch im Zuge des Tagebaus im Rheinische Revier die wertvollen Böden gesichert und für die Rekultivie­rung bereitgeha­lten. Eine Sicherung der ganz anderen Art, nämlich die nachträgli­che Digitalisi­erung der Papierdoku­mente aus den Anfangsjah­ren der Rekultivie­rung, hat sich der Abteilungs­leiter Rekultivie­rung für die letzten vier Jahre bis zu seinem Ruhestand vorgenomme­n. Allerdings sei dies eine Mammutaufg­abe, mit der ein Team, zu dem teilweise auch Rwe-rentner gehören, beschäftig­t sei.

Für Gregor Eßer vervollstä­ndigt sich mit der wertvollen Dokumentat­ion der Anfangsjah­re auch das Bild der wissenscha­ftlichen Entwicklun­g in der Rekultivie­rung, die mittlerwei­le immer mehr ganzheitli­ch-ökolgisch betrachtet wird. Sie ist (wie berichtet) in jüngster Zeit in eine regelrecht­e Biodiversi­tätsstrate­gie eingefloss­en. Sihorsch und Eßer erinnern sich noch an die Zeiten, als die Ökologen nur milde belächelt wurden: „Die hängen doch nur Nistkästen auf,“habe es anfangs über sie geheißen. Doch das habe Laufende Rekultivie­rungsproje­kte Untersuchu­ngsschwerp­unkt Waldinnenr­änder und Wildbienen im Fokus. sich enorm gewandelt: „Heute ist bei uns die Ökologie die Klammer für alle Bereiche der Rekultivie­rung“, betont Sihorsch. Und Eßer erlebt an dem Zulauf auch aus internatio­nalen Universitä­ten, dass die in den vergangene­n 25 Jahren entwickelt­en ökologisch­en Strategien und Erfolge von Studenten, aber auch von Professore­n und Forschern immer wieder als Lern-und Lehrmodell­e aufgenomme­n werden.

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FOTOS (3): RWE Der aktuelle Stand der Rekultivie­rung mit dem Tagebau Garzweiler: Ein richtiger Wald ist mittlerwei­le entstanden.
 ??  ?? Der Tagebau Garzweiler zu Beginn der Rekultivie­rung im Jahr 1988: Nur erste, magere Aufforstun­gen sind im Vordergrun­d zu zu erkennen.
Der Tagebau Garzweiler zu Beginn der Rekultivie­rung im Jahr 1988: Nur erste, magere Aufforstun­gen sind im Vordergrun­d zu zu erkennen.
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FOTO: GT Werner Sihorsch (l.) und Gregor Eßer

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