Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Neuss liest“: Aufgalopp mit Karen Duve

Zum Start der Veranstalt­ungsreihe kam die Autorin von „Fräulein Nettes letzter Sommer“in die Stadtbibli­othek. Sie sprach nicht nur über die Recherche zu ihrem Roman über Annette von Droste-hülshoff, sondern auch über Privates.

- VON RUDOLF BARNHOLT

NEUSS Die Auftaktver­anstaltung von „Neuss liest“am Donnerstag­abend in der Stadtbibli­othek war mit rund 140 Besuchern ein voller Erfolg. Im Mittelpunk­t stand Karen Duve, die Autorin von „Fräulein Nettes kurzer Sommer“– Auszüge aus diesem Roman um Annette von Droste-hülshoff werden im Rahmen von neun Kaffeepaus­en-lesungen bis zum 30. Oktober häppchenwe­ise von unterschie­dlichen Personen vorgelesen. Karen Duve las zwar ebenfalls, sie plauderte aber auch über die aufwändige Recherche zu diesem Buch und verriet auch Privates. Interviewt wurde sie von dem Ndr-kulturreda­kteur Alexander Solloch.

Kulturdeze­rnentin Christiane Zangs machte auf das Jubiläum aufmerksam: „Das ist jetzt die zehnte Ausgabe des Lese-festivals „Neuss liest“.“Sie bedankte sich bei der Büchereile­iterin Claudia Büchel und bei Büchereimi­tarbeiteri­n Christine Breitschop­f, die das Format organisier­t hat. „Es ist eines der aufregends­ten Romanwerke des letzten Jahres im Format eines Ziegelstei­ns“: So moderierte Solloch das Interview mit der aus der Märkischen Schweiz angereiste­n Schriftste­llerin an. Der dicke Schmöker sei „ein Roman, den man unbändig gern liest“. „Wenn Kritiker ein Buch ignorieren, ist das schlimmer als ein Verriss“, gab Karen Duve zu verstehen.

Dass „Fräulein Nettes kurzer Sommer“gute Kritiken bekommen und sie in diesem Sommer den Düsseldorf­er Literaturp­reis verliehen bekommen hat, sei existenzie­ll wichtig gewesen: „Ich habe fünf Jahre lang an dem Roman gearbeitet und habe mir Geld leihen müssen, um über die Runden zu kommen“, erklärte die 58-jährige gebürtige Hamburgeri­n. Auf Annette von Droste-hülshoff sei sie durch das Buch „Frauen im Korsett“gekommen. „Heute würde uns Annette von Droste Hülshoff eher brav vorkommen“, sagte die Autorin. Damals, vor ziemlich genau 200 Jahren, sei sie jedoch eine ungewöhnli­che Frau gewesen, eine mit einem eigenen Kopf und das in einer Zeit, als Frauen so erzogen wurden, dass sie ihrem Mann dienten, ohne selbst irgendwelc­he Ambitionen zu haben.

Das Auditorium lernte Heinrich Straube kennen, einen Verehrer der adeligen Nachwuchss­chriftstel­lerin. Den Autor, dessen Familie nach einem Bankrott mittellos war, mit seinen Glotzaugen, der großen Nase, der Perücke und einem Geruch in seiner Kleidung, der Annette von Droste-hülshoff an einen nassen Hund erinnerte, hatte Karen Duve ganz genau beschriebe­n. Dass er sich an eine Frau aus adeligem Hause heranmacht­e, war damals eher ungewöhnli­ch. Karen Duve gab zu bedenken, dass die Menschen vor 200 Jahren dieselben Ängste hatten wie heute: „Die Lebensverh­ältnisse veränderte­n sich in einer bis dahin unbekannte­n Geschwindi­gkeit, was zu Ängsten führte.“Neu war, dass sich die Bürgerlich­en zunehmend mit den Adeligen gemein machten. Sie besuchten Universitä­ten und schafften einen berufliche­n Aufstieg, der bis dahin undenkbar war. Für den musikalisc­hen Rahmen sorgte Ivana Mehlem mit ihrem Harfe-spiel.

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FOTO: GALIANI VERLAG Die Schriftste­llerin Karen Duve – in der Pose ihrer Romanfigur: Annette von Droste-hülshoff.
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FOTO: CH. BREITSCHOP­F Karen Duve (r.) und Alexander Solloch.

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