Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ratlos im Xxl-sanierungs-stau

ANALYSE Die Kritik von Eltern am Umgang von Politik und Stadt mit maroden Schulen ist berechtigt. Es fehlt die Kreativitä­t.

- VON KLAUS D. SCHUMILAS

DORMAGEN In den beiden letzten Super-sommern waren Klimagerät­e Mangelware, für zu Hause und in Büros wurde dringend Kühlung gesucht, damit die alltäglich­en Dinge in einigermaß­en erträglich­er Atmosphäre erledigt werden konnten. Davon konnten Schüler in Dormagen nur träumen. Sie saßen in völlig überhitzte­n Unterricht­sräumen mit Temperatur­en bis zu 47 Grad, büffelten Mathe oder Vokabeln und versuchten, irgendwie den Tag zu überstehen. Wer jetzt leichthin sagt, die sollen sich mal nicht so anstellen, so schlimm kann es nicht gewesen sein, für den halten die Verantwort­lichen am Leibniz-gymnasium handfestes Datenmater­ial bereit.

Über einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten hat die Schule an mehreren Stellen in verschiede­nen Klassenräu­men die Raumtemper­aturen gemessen. Die Ergebnisse sind erschrecke­nd und beispielha­ft auch für andere Schulen. Erschweren­d kommt hinzu, dass es weder Sonnenroll­os gibt, noch die Möglichkei­t, Fenster zu öffnen, weil diese zugeschrau­bt sind... Unter solchen Bedingunge­n lässt ein Gemeinwese­n seinen Nachwuchs lernen?

Das ist aber nur ein Baustein im Dormagener „Sanierungs­stau-puzzle“, das nur im Xxl-format zu haben ist. Es gleicht einem Wunder, wie geduldig Schüler, Eltern und Lehrer die Umstände an den Arbeitsplä­tzen Schule ertragen. Ist es Tapferkeit, Gleichmut oder Hoffnungsl­osigkeit?

In wenigen Tagen sind Bürger aufgerufen, an einem „Masterplan“für die Innenstadt mitzuarbei­ten. Ein interessan­tes und sicher wichtiges Thema. Seit Jahren läuft das Umbauprogr­amm für zig Sportplätz­e in der Stadt, wo die Ortsteile schicke Kunstrasen­plätze erhalten. Auch das ist gut. Aber die Stadtelter­n, Vertreter der Eltern aller Schulen, regen an, doch einmal über die Prioritäte­nsetzung in der Stadt nachzudenk­en. Überschrif­t: „Was ist wirklich wichtig?“Schule belegt ihrer Meinung nach dabei keinen Spitzenpla­tz.

Es wurde in dieser Woche viel geredet über Schulen, Sanierung, Neubauten. Aber richtig zufrieden war kaum jemand. „Es fehlt die Idee, das Gesamtpake­t zu händeln“, zeigte sich auch die agile schulpolit­ische Sprecherin der CDU, Carola Westerheid­e, ratlos. Da geht auch die Verwaltung nicht innovativ voran. Beispiel eins: Wenn in Hackenbroi­ch die Realschule für 26 Millionen Euro neu gebaut wird und am benachbart­en Leibniz-gymnasium ein Reparatur- und Erweiterun­gsvolumen von 16 Millionen Euro besteht – warum wird nicht der Bau von zwei Schulen zumindest diskutiert? Beispiel zwei: Wenn an einigen Grundschul­en Fach- und Betreuungs­räume fehlen und das Schulgelän­de zu klein ist, warum wird nicht wenigstens einmal die Frage aufgerufen, an einem „neutralen“Standort eine neue, hochmodern­e Grundschul­e für zwei oder drei Ortsteile zu bauen?

Zurzeit wird an der Bahnhofstr­aße die Sekundarsc­hule so verändert, dass sie für sehr viel Geld – so wird gesagt – die modernste Schule im Rhein-kreis Neuss sein wird. Eine Schule, die so wenig nachgefrag­t wird, dass jedes Jahr Schüler zwangsweis­e dorthin geschickt werden.

Eine Schule, an der es anfangs nur ein paar Reparature­n geben sollte. Da können die Leibniz-schüler, wenn sie nächstes Jahr dort vorbei gehen, nur weinen. Es stimmen einfach die Relationen zu den etablierte­n Schulen nicht.

Das Schlimme: Es fehlt den Beteiligte­n an Mut, Kreativitä­t und echter Diskussion­skultur. Beispiel: Es gibt einen speziellen Arbeitskre­is Schule. Dem wurde unlängst der umstritten­e „Zukunftspl­an Schule“präsentier­t. Darüber diskutiert wurde bis heute nicht. Jede Fraktion rührt bis dato in seiner eigenen Suppe. Dass die Große Koalition mit CDU und SPD in vielen Themen nicht auf einer Welle segelt, hilft, nebenbei gesagt, der Sache nicht.

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ARCHIVFOTO: ATI Die Regenbogen­schule wird umgebaut.

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