Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
In Neuss wird das Mittelalter lebendig
Finstere Zeit? Von wegen! Beim Mittelaltermarkt in der City gab es am Wochenende das Mittelalter als Familienfest zu entdecken.
NEUSS Der Mittelaltermarkt auf dem Marktplatz und dem Freithof am Wochenende war wieder ein Publikumsmagnet. Bei gutem bis sehr gutem Wetter genossen die Besucher die vielen außergewöhnlichen Angebote, tranken ihr Ritterbier, aßen Teufelsrippe und erfreuten sich am Anblick mittelalterlicher Gestalten. Schwer war es, Kindern Wünsche auszuschlagen, denn für sie gab es jede Menge Vergnügliches zu entdecken – allerdings nicht zu mittelalterlichen Preisen. „Du hast doch schon einige Schwerter zu Hause“: Ein Vater hatte Mühe, seinem Sohn den Wunsch nach einem weiteren Holzschwert auszureden.
Die Verlockungen waren besonders für Kinderaugen groß. Eine Attraktion war das mittelalterliche Balancespiel auf einer wackeligen Trittleiter mit geringer Steigung über einer alten Gewebematte. Was recht einfach aussah, erwies sich schnell als sehr tückisch: Wesentlich mehr Kinder fielen auf die Matte, anstatt oben angekommen, die alte Glocke zu läuten. Das war ein Spaß auch für die Zuschauer. Kevin Winkler schenkte denen, die es nicht bis oben geschafft haben, ein wenig „Sternenstaub“.
Die vier wilden Kerle aus Tschechien begeisterten das Publikum mit ihren waghalsigen Aktionen: Die Mitglieder der Gruppe Equites verdingen sich unter anderem als Stuntmen für Film und Fernsehen. Ebenfalls aus Tschechien: Vaclav Hata, der Herr über Drachen und Einhörner, aber auch über Katzen und Hunde. Seine Spezialität sind kleine, kostbare Figuren aus Glas – sie wurden vor den Augen der Besucher fabriziert. „Einhörner verkaufen sich am besten, sie sind immer noch schwer in Mode“, freute sich Vaclav Hata.
Hans-josef Altmann aus Velbert sah in seiner Kutte aus wie ein Mönch im Mittelalter. Das mag auch daran gelegen haben, dass er den Nachbau einer Druckerpresse mit der Technik von 1450 präsentierte, ebenso wie Nachdrucke alter, prachtvoller Bibeln. „Ich habe eine Technik entwickelt, Bücher zu binden, die Besucher in wenigen Minuten erlernen können“, sagte er. Und wer Lust auf eine Partie Schach hatte: Das Spiel war bereits aufgebaut.
Auf dem Marktplatz war derweil immer wieder eine jubelnde Menschenmenge zu sehen und Bälle, die hoch in die Luft flogen: Dort war der Jongleur Lupus am Werk, der es vortrefflich verstand, sein Publikum zu unterhalten. Sein Gaukler-outfit in Schwarz und Rot ist eine Assoziation zu Feuer und Ruß. Schnell noch einen Gewürzkaffee mit Kardamon, Ingwer, Zimt, Nelken, Pfeffer und Muskat – ein Getränk, das im Mittelalter wahrscheinlich nur für gut betuchte Bürger erschwinglich war – dann ab zur Bühne, wo nicht nur mittelalterliche Klänge zu hören waren, wo der Dudelsack gespielt wurde und der Klang der großen Trommel einige hundert Meter weit zu hören war.
Ganz still ging es bei Günter Altendorf zu: Der Mönchengladbacher hatte seinen Uhu „Einstein“mitgebracht, ein faszinierendes Tier. Der gerade mal ein Jahr alte Kilian Aurell dürfte jetzt sein jüngster Fan gewesen sein – völlig angstfrei streichelte der Junge das Gefieder des Raubvogels.