Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Drei Stunden Frontal-satire: Martin Sonneborn auf der Bühne
Der Mann muss eine enorme Anziehungskraft haben. Es schaffen nicht viele, das Schauspielhaus bis auf den letzten Platz zu füllen – so wie Martin Sonneborn. Sein Bühnenprogramm „Krawall und Satire“wird angekündigt als „Ein ganz unaufgeregtes Multimediaspektakel mit lustigen Filmen und brutaler politischer Agitation“. Während die Zuschauer – viel junges Publikum – ins Große Haus strömen, werden Werbeplakate für „Die Partei“und legendäre Titelbilder des Satire-magazins „Titanic“auf den Vorhang projiziert – „Zonen-gabi und ihre erste Banane“dürfen da nicht fehlen.
Martin Sonneborn ist bekannt als multimedialer Mensch: Er war Leiter des Satireressorts bei „Spiegel Online“, bis 2005 „Titanic“-chefredakteur, investigativer Reporter in der Zdf-heute Show, Gründer von „Die Partei“und ist seit 2014 deren Abgeordneter im Europäischen Parlament. Er kommt rein, nimmt Platz, sagt: „Guten Abend hier in Dings“und erklärt, er werde im ersten Teil darüber reden, wie er seine Spaß-partei erfolgreich etablierte, im zweiten über seine Erfahrungen als Eu-politiker. Seitdem er pro Kilometer 52 Cent Spritgeld bekäme, reise er übrigens sehr viel und verfahre sich häufig. Da lande man zwischen Berlin und Brüssel schon mal versehentlich am Bodensee.
Martin Sonneborn zuzuhören, ist ein kurzweiliges Vergnügen. Die Plaudereien über seine Aktionen untermalt er mit Bildern und Filmschnipseln. Manche rauschten allerdings schon sattsam durch die Medien: die kalauernden Berliner Wahlplakate oder wie der Satiriker mit Wehrmachts-uniform und Augenklappe auf der Frankfurter Buchmesse zum Stand von Björn Höcke stolziert, sich dort als Stauffenberg vorstellt und eine Aktentasche ablegen will – was die Ordner verhindern.
Entlarvend wird es immer dann, wenn seine Nonsens-thesen („Inhalte überwinden“) widerspruchslos geschluckt werden. Die permanente Suche nach Öffentlichkeit gehöre zu einer Partei, postuliert er, sie müsse unverwechselbar sein. An einigen Politikern (Friedrich Merz, Christian Lindner, Herbert Reul) arbeitet sich Martin Sonneborn regelrecht ab, und das oft wenig appetitlich. Auf diese Weise Lacher abzusahnen, wirkt bisweilen etwas billig. Die Verhöhnung von NPD und AFD oder des „Irren vom Bosporus“findet dagegen einhelligen Zuspruch.
Bis zur Pause zieht er stramme 90 Minuten durch, ermuntert danach zu Fragen, „auch über die Zukunft Ihres Landes, Sie haben ja selten einen Spitzenpolitiker hier“. Es folgen wirklich lustige Videos von Sonneborns Auftritten im Eu-plenarsaal. Anfangs kommt er überpünktlich und mit einem Handtuch, „noch vor den Engländern“. Mehrmals hat er eine Minute Redezeit, meist tief in der Nacht vor leeren Rängen. Was ihn aber kaum verdrießt. Martin Sonneborn ist nicht nur ein Meister der spitzen Zunge und des blühenden Unsinns. Gallig und gnadenlos enthüllt er, was falsch läuft in der Politik. Dafür bekommt er sehr viel Beifall.
Und so ziehen die Zuschauer nach beinahe drei Stunden zum Gedudel der kitschigen Partei-hymne dann doch ganz schön nachdenklich von dannen.