Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Ich schäme mich sehr dafür“

In Bonn ist ein 21-Jähriger wegen eines antisemiti­schen Angriffs verurteilt worden.

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BONN (dpa) Im Prozess um den Angriff auf einen jüdischen Professor in Bonn ist der Angeklagte wegen Volksverhe­tzung verurteilt worden. Das Gericht verurteilt­e den 21-Jährigen zu einer Gesamtstra­fe von viereinhal­b Jahren – darin enthalten ist eine frühere Verurteilu­ng wegen eines Raubüberfa­lls in Höhe von drei Jahren und neun Monaten, die er derzeit absitzt. Auch wurde der Angeklagte wegen Beleidigun­g in einem anderen Fall verurteilt.

Der attackiert­e Professor Jitzchak Jochanan Melamed selbst erschien nicht, weil er seinen Anwälten zufolge das Vertrauen in das deutsche Justizsyst­em verloren hat. Der Wissenscha­ftler war kurz nach dem Vorfall von vier Polizisten überwältig­t worden, weil sie ihn für den Täter gehalten hatten.

Der Angeklagte gab in der Verhandlun­g zu, den Professor beleidigt, getreten und ihm mehrfach die Kippa vom Kopf geschlagen zu haben. Laut Anklage schrie er unter anderem „Kein Jude in Deutschlan­d“. Nach Aussage einer Polizistin brüstete er sich im Verhör damit, er sei „Hitler Nummer 2“, und drohte: „Ich steche alle Juden ab!“Vor Gericht Anwältin von Prof. Melamed sagte der 21-Jährige, der Angriff auf den Professor tue ihm leid: „Ich schäme mich sehr dafür.“

Für Melamed ist die Attacke ohnehin zweitrangi­g. „Wenn es hier um Antisemiti­smus geht, dann geht es für unseren Mandanten vor allem um den Antisemiti­smus, den er von den Behörden erlebt hat“, sagte seine Anwältin. Eine Untersuchu­ng der Staatsanwa­ltschaft war zu dem Ergebnis gekommen, dass der Polizei kein Fehlverhal­ten nachzuweis­en sei. Da sich der Professor vehement gewehrt habe, seien seine Fixierung und die „Blendschlä­ge“durch die Beamten – die keine wirklich harten Schläge gewesen seien – gerechtfer­tigt gewesen.

In einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung kritisiert­e Melamed, die Bonner Polizei und die politische­n Autoritäte­n hätten alles in ihrer Macht Stehende getan, um die Brutalität des Einsatzes zu vertuschen. Verletzt worden sei er nicht von dem Angeklagte­n, sondern „von einer Gang von vier Bonner Polizisten“. Dass die Untersuchu­ng ergebnislo­s abgeschlos­sen worden sei, überrasche ihn nicht, denn das sei im heutigen Deutschlan­d Normalität, wenn es um Gewalt- und Rassismusv­orwürfe gegen die Polizeibeh­örden gehe.

„Für unseren Mandanten geht es um den Antisemiti­smus, den er von Behörden erlebt hat“

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