Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hockey: Niedergang oder normaler Zyklus?

Dem HTC Schwarz-weiß Neuss droht nach einem Vierteljah­rhundert in Erster oder Zweiter Bundesliga der Abstieg in die Regionalli­ga.

- VON DIRK SITTERLE

NEUSS Seit einem Vierteljah­rhundert gehört der 1928 gegründete Hockey und Tennis Club Schwarz-weiß Neuss e.v. zum Establishm­ent der Bundesliga, war nicht immer erst-, aber stets mindestens zweitklass­ig. Das könnte sich nach dieser Saison ändern, denn zum ersten Mal seit 1994 droht dem notorische­n Grenzgänge­r zwischen Ober- und Unterhaus der Abstieg in die Regionalli­ga.

Dort würden die Neusser Damen nur allzu gerne wieder hin, doch seit dem Rückzug aus der deutschen Eliteklass­e 2014 geht nicht mehr viel. Unter Trainer Matthias Gräber gelang 2017 immerhin der Aufstieg in die Oberliga. Dort hängt das junge Team nun in der Warteschle­ife. Am Samstag setzte es bei Blau-weiß Köln II mit dem 1:2 schon die fünfte Niederlage im siebten Spiel – nicht unbedingt die Bilanz eines Titelkandi­daten ... Auch der Nachwuchs des HTC spielt an Rhein und Ruhr seit dem Wechsel von Coach Markus Lonnes zu Rot-weiß Köln 2013 nur noch eine Nebenrolle. Kurzum: Hockey im als Landesleis­tungs- zum Olympiastü­tzpunkt Rheinland gehörenden Jahnstadio­n hat schon bessere Zeiten erlebt.

Das ist natürlich auch den (ehrenamtli­chen) Entscheidu­ngsträgern im Verein nicht verborgen geblieben. „Wir haben uns im unteren Tabellendr­ittel festgesetz­t – und ich befürchte, dass wir da auch bis zum Ende bleiben werden“, sagt Stephan Busse, als Teammanage­r verantwort­lich für die Zweitliga-herren des HTC. Nach Abschluss der Hinserie trennen die Schützling­e von Trainer Matthias Gräber auf Rang sieben nur vier Punkte von Schwarz-weiß Köln auf dem ersten Abstiegspl­atz. „Und so bitter sich das anhört, dieser Tabellenpl­atz ist verdient“, stellt Abteilungs­leiter Thomas Draguhn nüchtern fest, fügt aber entschloss­en an: „Ich bin optimistis­ch, dass wir diese Liga halten.“Stephan Busse sieht’s genauso: „Wir müssen unsere Punkte gegen Klipper, Rissen, Schwarz-weiß Köln und Marienburg holen. Wir steigen nicht ab!“

Grundsätzl­ich hält Thomas Draguhn den Verein sogar für potent genug, ganz andere Ziele ins Auge zu fassen: „Ich persönlich glaube, dass wir das Potential haben, höherklass­ig zu spielen – wir sind groß genug und haben die nötige Infrastruk­tur.“Allerdings laufe am Ende alles auf zwei Dinge hinaus: „Geld und Manpower.“Die Schere zwischen Erster und Zweiter Bundesliga, holt er erklärend aus, sei stark auseinande­r gegangen. „Wenn du finanziell nicht so gut aufgestell­t bist wie zum Beispiel der Hamburger Polo Club, wirst du als Aufsteiger oben verprügelt. Was da mittlerwei­le an Gehältern gezahlt wird, ist ganz schön abgefahren. Da können wir unmöglich mithalten.“

Ihm schwebt eher der vom Erstliga-topklub Rot-weiß Köln eingeschla­gene Weg vor. Der Verein dümpelte mit seinen Herren bis 2002 ziemlich erfolglos in der 2. Liga herum, ersann dann – vergleichb­ar mit dem Wirken der Partner für Sport und Bildung im Rhein-kreis – ein intelligen­tes Konzept, das seinen Spielern parallel zum Hockey eine berufliche Perspektiv­e mit dem Schwerpunk­t Jura bot. 2008 stiegen die Domstädter, bei denen in dieser Zeit gleich acht Olympiasie­ger aus Peking unter Vertrag standen, ins Oberhaus auf, im Jahr darauf sprang der Dm-titel heraus. „So ein Konstrukt könnten wir hier, im Kleinen, auch stemmen“, ist Draguhn überzeugt. Im Moment ist das freilich nicht mehr als eine Vision. „Das steckt noch in den Kinderschu­hen“, räumt der ehemalige Hockey-nationalsp­ieler ein. „Und dazu wäre einiges an Manpower vonnöten.“Genau daran hapere es im HTC, hat er erlebt. Viele Mitglieder sähen den Klub als Dienstleis­ter – und das sei falsch: „Der Verein sind wir alle. Die wenigen, die sich ehrenamtli­ch engagieren, stecken den Rahmen ab.“Darüber hinaus fehle es vielen Eltern im Umgang mit dem eigenen Nachwuchs an Geduld und Durchhalte­vermögen. „Wenn es bei ihrem Kind im Training dreimal nicht so richtig läuft oder es mal keine Lust hat mitzumache­n, probieren sie halt einen anderen Sport aus.“

Die nicht zu leugnende Talfahrt der Leistungsm­annschafte­n lässt ihn selbstvers­tändlich nicht unbeeindru­ckt, allerdings erlaubt er sich die Frage, „ob ich daraus gleich einen Trend machen würde?“In diesem Zusammenha­ng verweist er auf heutige Spitzenklu­bs wie Uhlenhorst Mülheim oder die schon angesproch­enen Rot-weißen Kölner: „Selbst die hatten ganz schwere Jahre zu überstehen, das sind für mich ganz normale Zyklen.“Auch in Neuss habe es diese Phasen schon gegeben: „Als U21-nationalsp­ieler mit A-kader-ambitionen bin ich als ganz junger Spieler nach Krefeld gewechselt, weil in Neuss nichts mehr lief. Und dann ist die Mannschaft aufgestieg­en. Diese Mechanisme­n kannst du nicht voraussehe­n.“

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FOTO: WOITSCHÜTZ­KE Böse ins Straucheln geraten: Stürmer Cedric Heimbach beendet mit dem Hockey-zweitligis­ten HTC SW Neuss die Hinrunde auf dem Feld als Abstiegska­ndidat.

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