Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ins Museum trotz Demenz

Der Kunstpalas­t und das Demenznetz Düsseldorf gestalten ein Programm für erkrankte Senioren.

- VON ANNE HARNISCHMA­CHER

Einigen Senioren gefallen die bunten, leuchtende­n Farben der Kunstwerke, die sie bei ihrer Führung im Kunstpalas­t ansehen. Andere erinnern sich sogar an die Werke, können den Künstler und deren Biografie aufsagen. Eine ältere Dame sorgt ständig für Lacher, andere Teilnehmer sind einfach still und genießen. Jetzt öffnete der Kunstpalas­t seine Türen für Betreuungs­gruppen für Menschen mit Demenz des Demenznetz­es Düsseldorf. „Dass jemand dement ist, bedeutet nicht, dass er nicht gerne ins Museum geht“, sagt Barbara Höft vom Demenznetz Düsseldorf und Leiterin der Gerontopsy­chiatrisch­en Institutsa­mbulanz am Lvr-klinikum. „Kein Mensch ist nur krank. Kunst wirkt auf jeden, sie löst Gefühle aus. Demenzerkr­ankte haben eine hohe Kompetenz für Gefühle.“

Senioren-wohngruppe­n besuchten regelmäßig den Kunstpalas­t als geschlosse­ne Gruppe, sagt Miriam von Gehren, Mitarbeite­rin der Kulturelle­n Bildung des Museums. Dieses Mal wurden jedoch gezielt Demenz-patienten angesproch­en, die noch zu Hause leben, die sich in Teilzeitpf­lege befinden und die von ihren Angehörige­n betreut werden. An vier Tagen besuchten die Teilnehmer das Museum in Gruppen von sechs bis zehn Personen, in Begleitung von geschulten Betreuern.

Für die Teilnehmer soll dieses Kunsterleb­nis eine schön gestaltete, gemeinscha­ftliche Abwechslun­g sein. Aber auch den pflegenden Angehörige­n ermöglicht die Aktion ein paar Stunden Auszeit. Die Kosten für den Transport zum Kunstpalas­t übernahm das Demenznetz, die Kosten für die Führungen trug das Museum.

Weil die Senioren viel Zeit daheim, meistens alleine verbringen, läge ihr und den anderen Mitarbeite­rn das Angebot so am Herzen, sagt Christina Puth, die eine Gruppe durch das Museum führt. Die Besucher kommen zu Beginn in einem Raum zusammen, es gibt Kaffee und Kuchen. „Die Teilnehmer sollen erst einmal ankommen und sich einfinden“, sagt Miriam von Gehren. „Sie sollen warm werden mit dem neuen Ort und den anderen.“Anschließe­nd begrüßt Miriam von Gehren die Senioren und Betreuer, gibt einen kleinen Einblick zum Museum, stellt Fragen. Ein Herr, der schon zum zweiten Mal da ist, weiß noch viel, prahlt spielerisc­h mit seinem Wissen. Alle lachen und sind ebenfalls stolz wenn sie Fragen beantworte­n können. Genauso fröhlich, herzlich und lustig geht es weiter während der Führungen.

Christina Puth kann ihrer Gruppe bei der Führung nicht alles zeigen, aber die Glassammlu­ng sowie Gemälde von Bellini und Rubens. Festgestel­lt hat sie auch: „Die Teilnehmer sind sehr an moderner Kunst interessie­rt.“Wie die dementen Besucher reagieren, lasse sich vorher schwer sagen, meint sie. „Alle reagieren individuel­l.“Bei manchen kämen Erinnerung­en hoch. Einigen falle plötzlich ein, dass sie früher oft im Kunstpalas­t waren. Andere erzählen Geschichte­n. „Jeder bringt seine ganz eigene Biografie mit“, kommentier­t Barbara Höft.

Christina Puth erklärt Symbole, Farben, liefert Hintergrün­de zum Künstler – wie bei jeder Führung. Aber sie stellt auch Fragen an die Gruppe. „Es ist schön in den Dialog zu kommen“, sagt sie. „Es macht ihnen Spaß zu überlegen. Meist haben sie viel zu erzählen.“Eine Dame weiß sofort, dass der Schlüssel in der Hand einer Figur auf Petrus hinweist, der die Himmelspfo­rte bewacht. „Aber der lässt nicht jeden rein“, sagt sie und die Gruppe stimmt in ihr Lachen ein.

Nach der Führung malen die Demenz-patienten Bilder – über das, was sie gesehen haben oder was ihnen Freude macht. „Die Teilnehmer sollen das Erlebte verarbeite­n und etwas mit nach Hause nehmen, dss sie an diesen Tag erinnert“, sagt Miriam von Gehren. „Hier spielt es keine Rolle, ob jemand Demenz hat oder nicht. Sie können einfach loslegen und müssen keine Angst haben, bewertet zu werden“, ergänzt Christina Puth. „Sie haben etwas in der Hand, das sie den Angehörige­n zeigen können. Es soll auch ein Anreiz sein, wiederzuko­mmen, vielleicht beim nächsten Mal sogar mit der Familie.“Das Angebot für Demenzerkr­ankte soll es in Zukunft regelmäßig geben. Interessie­rte können außerdem eine Führung beim Kunstpalas­t anfragen.

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FOTO: ANNE ORTHEN Christina Puth führt die Senioren durch die Sammlung.

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