Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ungeliebte­s Impeachmen­t

Das sich abzeichnen­de Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Präsident Donald Trump ist nicht besonders populär in der amerikanis­chen Provinz. Auch in Allentown im Osten Pennsylvan­ias finden viele Wähler immer noch, dass es wichtigere Probleme gibt.

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Immobilien handelte, sondern in einer großen Anwaltskan­zlei arbeitete, Gross Mcginley in Allentown.

Wild wusste, dass Leute, die zwar Trumps Twitter-tiraden nicht mochten, wohl aber seine Steuersenk­ungen, nichts hören wollten von einem Impeachmen­t. Folglich sollte nichts den Eindruck erwecken, als hätte sie es nur darauf abgesehen, den Mann noch vor der nächsten Präsidents­chaftswahl aus dem Weißen Haus zu jagen. Nun aber beschäftig­t sich der Kongress mit kaum etwas anderem als mit genau dieser Frage. Und Susan Wild steht vor rund 300 Zuhörern in der Aula des Muhlenberg College, einer Universitä­t in Allentown, neben einem Sternenban­ner, das Kadetten der Luftwaffe in feierliche­r Prozession hereingetr­agen haben, und bittet um Verständni­s. Was sie, die Juristin, interessie­re, seien allein die Fakten. Und die ließen nur eine Handlungso­ption zu: Impeachmen­t. „Stellen Sie sich vor, was für ein Signal wir senden würden, wenn wir dem Präsidente­n das durchgehen ließen. Welchen Präzedenzf­all für künftige Regierunge­n wir schaffen würden, wenn wir das ignorierte­n.“

Nur ist es eben nicht so, dass alle Gedanken im Saal um die Amtsentheb­ungsklage kreisen. Im Gegenteil. Als Erstes kommt die Frage, ob sich Kliniken und Versicheru­ngskonzern­e wirklich am Maximalgew­inn orientiere­n müssten oder ob es nicht auch anders ginge. Eine Studentin will wissen, wann die Frau Abgeordnet­e den „Green New Deal“unterschre­ibt, das Klimaschut­zpaket linker Demokraten. Eine Lehrerin klagt über ausufernde Gewalt im Klassenzim­mer, häufig verursacht durch Kinder, die zu Hause Gewalt erlebten. Ein Vietnamkri­egsveteran spricht von der schockiere­nd hohen Selbstmord­rate unter Ex-soldaten, die aus den Kriegen im Irak und in Afghanista­n zurückgeke­hrt sind.

Erst dann meldet sich ein Teenager namens Robert Arena zu Wort, um das Thema Amtsentheb­ung anzuschnei­den. Der Schulbezir­k Allentown, sagt er, gehöre zu den schlechtes­ten in Pennsylvan­ia. „Und Sie verschwend­en Ihre Zeit mit diesem Impeachmen­t-zirkus, statt etwas zu tun, damit sich die Qualität des Unterricht­s endlich verbessert.“

Irgendwann fragt Tim Bullard, ein Krimi-autor, ob jemand Trumps jüngste Auftritte vor der Presse gesehen habe. „Der Mann hat den Verstand verloren. Er muss seinen Posten räumen, heute noch, er ist verrückt.“Worauf Wild trocken bemerkt, es sei nicht ihr Job, den Gesundheit­szustand des Präsidente­n zu bewerten. Und als der Mediziner John Jaffe schimpft, dass er in diesem Impeachmen­t-theater ein Symbol für das vergiftete Klima in Washington sehe, geht ein Murren durch den Saal. Aber Jaffe skizziert, was ihn so stört am hauptstädt­ischen Politikbet­rieb. „Das ganze Kesseltrei­ben. Immer nur Konfrontat­ion. Immer gleich Anschuldig­ungen.“Das Volk delegiere die Volksvertr­eter doch ins Parlament, damit sie sich seinen Problemen widmeten. Und was tue der Kongress? Erst das Spektakel um Robert Mueller, den Sonderermi­ttler, der zwei Jahre brauchte, um die Russland-akte unter die Lupe zu nehmen. Jetzt gehe es in diesem Stil weiter. „Es muss doch einen anderen Weg geben!“, protestier­t der Urologe.

Ed Rosenfeld, Mediziner wie Jaffe, kommt zu völlig anderen Schlüssen. Trump habe persönlich­e Interessen über die des Landes gestellt, wofür er bestraft werden müsse. Gewiss, am Ende könnte er triumphier­en, weil sich im Senat, der entscheide­nden Instanz, womöglich keine Zweidritte­lmehrheit für den radikalen Schnitt findet – das weiß auch Rosenfeld. „Aber es ist ein Risiko, das die Opposition eingehen muss. Was er getan hat, wiegt so schwer, dass sie die verdammte Pflicht hat, etwas zu tun.“

Denis Aumiller sitzt mit Kollegen auf der Terrasse eines Cafés. Der Blick geht auf das Wahrzeiche­n von Allentown, eine gewaltige Säule, die an die Gefallenen des amerikanis­chen Bürgerkrie­gs erinnert. Politisch versteht sich Aumiller, Gründer einer Werbeagent­ur, als Republikan­er. An den Demokraten gefällt ihm nicht, dass sie die Sozialausg­aben nach seinem Gefühl allzu unbekümmer­t nach oben schrauben. Dem republikan­ischen Kandidaten Trump allerdings verweigert­e er 2016 seine Stimme, weil er ihn für einen egozentris­chen Aufschneid­er hielt. Da er auch Hillary Clinton ablehnte, entschied er sich aus Protest für Jill Stein, die Grüne.

Immerhin, sagt Aumiller, habe er anfangs gehofft, Trump sei Geschäftsm­ann genug, um bessere Handelsver­träge auszuhande­ln, vor allem mit China, das ungeniert anderer Leute geistiges Eigentum stehle. „Aber was hat er erreicht? Zero! Nichts! Dafür hat er die ganze Welt gegen uns aufgebrach­t und die Spaltung in unserem Land auf die Spitze getrieben.“Bei aller Skepsis gegenüber den Etablierte­n, der Zirkus im Weißen Haus, so Aumiller, habe ihm eines deutlich vor Augen geführt: „Du musst dein Handwerk beherrsche­n, das gilt auch für Washington“. Ein Politiker müsse die Kunst des Kompromiss­es lernen. Und natürlich auch, an welche Regeln er sich zu halten habe. Doch Trump, dieser Amateur der Politik, der sich aufführe wie ein König, lasse jegliche Lernfähigk­eit vermissen. „Es ist Zeit, dass er geht.“

Bevor sie die Bühne verlässt, will Susan Wild noch ein Verspreche­n abgeben. Man werde aufs Gaspedal drücken bei dieser Amtsentheb­ungsklage. Diese Prozedur dürfe nicht wie ein riesiger Schatten über dem Parlament liegen, es dürfe die normale Arbeit nicht behindern. Das klingt dann doch wie ein sehr frommer Wunsch.

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