Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wegschauen ist keine Option für Hongkong

- VON MATTHIAS BEERMANN

Seit März schon wird in Hongkong gegen die Regierung protestier­t, und es ist vollkommen klar, dass diese Revolte nicht aufhören wird, bevor nicht wenigstens ein Teil der Forderunge­n erfüllt ist, derentwege­n die Demonstran­ten seit Monaten auf die Straße gehen. Oder aber der Protest wird von chinesisch­en Truppen zusammenge­schossen, wie es vor 30 Jahren auf dem Platz des Himmlische­n Friedens geschah. Noch zuckt die Regierung in Peking zurück vor einer militärisc­hen Interventi­on, die wohl mit einem enormen Ansehensve­rlust in der Welt verbunden wäre. Aber sollte das Regime, das ohne Zögern Hunderttau­sende Uiguren in Umerziehun­gslager deportiert, sich durch die Entwicklun­g in Hongkong politisch ernsthaft herausgefo­rdert fühlen, dürften solche Erwägungen keine Rolle mehr spielen.

Ganz unschuldig wären wir daran nicht. Zu lange hat Deutschlan­d sich auf eine Diplomatie des Wegschauen­s gegenüber Peking verlegt. Begründet wurde das gerne so: Man wolle sich nicht in chinesisch­e Angelegenh­eiten einmischen, und öffentlich­es Anprangern von Menschenre­chtsverlet­zungen schade mehr, als dass es nutze. Dabei ging es in Wirklichke­it um wirtschaft­liche Interessen. Wir haben uns einschücht­ern, schlimmer noch: Wir haben uns kaufen lassen.

Wie ernst man in China deutsche Bedenken noch nimmt, ist daher fraglich. Trotzdem muss die Bundesregi­erung Peking klarmachen, dass eine brutale Niederschl­agung der Proteste in Hongkong die Beziehung unserer Länder auf unabsehbar­e Zeit schwer beschädige­n würde. Gleichzeit­ig sollten die Protestier­enden in Hongkong wissen, dass wir nur für sie einstehen können, wenn sie ihre Gewalt, die sich zuletzt auch gegen Mitbürger richtete, zügeln. Auf die bequeme Rolle des unbeteilig­ten Zuschauers dürfen wir uns jedenfalls nicht weiter zurückzieh­en. BERICHT STRASSENSC­HLACHTEN IN HONGKONG, TITELSEITE

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