Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Aktionäre ärgern sich über Olaf Scholz

Mit der geplanten Transaktio­nssteuer, die große Teile der Grundrente finanziere­n soll, verprellt der Bundesfina­nzminister die Börsianer. Einzelne Bevölkerun­gsgruppen würden gegeneinan­der ausgespiel­t, heißt es.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Bundesfina­nzminister Olaf Scholz spaltet die Nation. Auf der einen Seite stehen die, die von der Grundrente profitiere­n könnten und nun Beifall klatschen, auf der anderen jene, die ihren Beitrag zur Finanzieru­ng des Projekts beisteuern sollen. Zu denen gehören Deutschlan­ds Aktionäre: Etwa zwei Drittel der rund 1,5 Milliarden Euro, die die Grundrente pro Jahr kosten soll, sind als Einnahmen aus einer Transaktio­nssteuer einkalkuli­ert.

Mit der entwickelt sich Scholz erneut zum Schreckges­penst der Aktionäre. Gerade erst ist der Plan, im Einkommens­teuergeset­z die steuerlich­e Anrechenba­rkeit von Totalverlu­sten aus Wertpapier­geschäften abzuschaff­en, wieder abgeräumt worden, da regt die Transaktio­nssteuer die Börsianer aufs Neue auf. Die eigentlich­e Idee ist schon fast ein halbes Jahrhunder­t alt; seit Jahren wird über ihre Einführung debattiert. Der Versuch, sie europaweit zu etablieren, ist bislang gescheiter­t. Zum wiederholt­en Mal erklären einige Politiker einschließ­lich der Kanzlerin aber, die Steuer sei in Europa auf gutem Weg. Nur: Beim letzten Treffen der Euro-finanzmini­ster war sie gar kein Thema. Was in Deutschlan­d zum Problem werden könnte, da der Koalitions­vertrag von Union und SPD nur eine europaweit geregelte Transaktio­nssteuer vorsieht.

So oder so: Um die Grundrente finanziere­n zu können, müsste die Steuer im übernächst­en Jahr eingeführt werden. Das Bundesfina­nzminister­ium und große Teile des Regierungs­bündnisses geben sich unbeirrt – ungeachtet der Kritik, die von vielen Seiten kommt. Beispielsw­eise von Aktionärss­chützern. „Während die Grundrente und die damit verbundene­n Ziele unstreitig positiv zu werten sind, führt die mögliche Finanzieru­ng auch über die Finanztran­saktionsst­euer das gesamte Konzept ad absurdum“, sagt Marc Tüngler, Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW ). Was er bemängelt: Anstatt die Steuer auf riskante Produkte wie Derivate zu erheben, plane die Regierung die Steuer nur auf Aktien von Unternehme­n ab einer Milliarde Euro Börsenwert. „Dies sind genau die Wertpapier­e, mit denen rund zehn Millionen Bundesbürg­er unmittelba­r oder mittelbar für ihr Alter vorsorgen“, stellt Tüngler klar. Betroffen wären knapp 150 Unternehme­n in Deutschlan­d, unter ihnen die Hälfte aller im S-dax notierten Aktien. Zu diesem Bereich gehören auch größere Mittelstän­dler.

Tenor der Kritik: Was den einen Rentnern über die Grundrente zugute kommen soll, ist vorher jenen, die mit Aktien vorsorgen wollen, weggenomme­n worden. Es würden einzelne Bevölkerun­gsgruppen gegeneinan­der ausgespiel­t. So hat auch FDP-CHEF Christian Lindner kurz nach dem Grundrente­n-beschluss argumentie­rt: „Die große Koalition spielt arme Rentnerinn­en und Rentner gegen fleißige Kleinspare­r aus. Das ist das Gegenteil von gerecht.“

Und das in der andauernde­n Niedrigzin­sphase. Ganz zu schweigen von der Aktienkult­ur, für die eine Transaktio­nssteuer aus Sicht von Experten der nächste Rückschlag wäre. „Eine Transaktio­nssteuer auf Aktien signalisie­rt der Bevölkerun­g, sich von Aktieninve­stments zu distanzier­en“, so die Finanzanal­ysten-organisati­on DVFA. Christine Bortenläng­er, geschäftsf­ührendes Vorstandsm­itglied des Deutschen Aktieninst­ituts, fordert: „Die deutsche Bevölkerun­g muss so schnell wie möglich aus der Niedrigzin­sfalle befreit werden. Dafür ist es unabdingba­r, die tiefsitzen­de Skepsis der Deutschen gegenüber Aktien zu überwinden, und nicht durch die Einführung einer Aktiensteu­er zusätzlich zu befeuern.“

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