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Anführer der neuen Tennis-generation

Als erster Spieler seines Landes und als jüngster seit Lleyton Hewitt 2001 gewinnt der Grieche Stefanos Tsitsipas die ATP Finals. Sein Sieg ist der Start einer intensiven Debatte über eine bevorstehe­nde Wachablösu­ng im Herren-tennis.

- VON WOLFGANG MÜLLER UND TAKIS TSAFOS

LONDON (dpa) Der silberne Henkelpoka­l des neuen Tennis-champions blitzte und blinkte im künstliche­n Licht. Ungläubig und sichtlich ergriffen hockte Stefanos Tsitsipas neben der Brad Drewett Trophy. Ob Roger Federer (38) nach seinem Halbfinal-aus gegen Tsitsipas, ob Rafael Nadal (33) oder Novak Djokovic (32) nach dem Scheitern in der Gruppenpha­se: Alle sind sie in London mit dem Lieblingst­hema der Tennis-szene konfrontie­rt worden. Ist jetzt endgültig, und diesmal aber wirklich, das Ende der großen Vier, die ja nach Andy Murrays Auszeit nur noch die großen Drei sind, gekommen?

Freunde der Statistik bemühten allerlei Belege für den nun möglicherw­eise anstehende­n Wachwechse­l im Herren-tennis. Laut Spieler-organisati­on ATP waren die Finals in diesem Jahr das erste Turnier seit dem Masters-event in Miami 2010, bei dem Federer, Djokovic und Nadal am Start waren und bei dem keiner von ihnen das Endspiel erreichte.

Wird es im kommenden Jahr also einen Grand-slam-champion geben, auf dessen Ausweis als Geburtslan­d nicht Spanien, Serbien oder die Schweiz steht? Federer war ein bisschen gelangweil­t, als er dazu Auskunft geben sollte. Denn auch in diesem Jahr teilten sich Djokovic (Australian Open und Wimbledon) und Nadal (French Open und US Open) die wichtigste­n Preise. Auch in diesem Jahr stehen die Drei auf den ersten Plätzen der Weltrangli­ste.

„Das ist nichts Neues, das ist jedes Jahr die Frage, und ich glaube, ich beantworte sie immer gleich“, sagte Federer. „Vielleicht ist die Chance nun größer geworden, obwohl es so aussieht, dass Rafa, Novak und ich alle gesund sind. Anderseits werden wir nicht jünger, und die Jungen werden besser. Sie müssen jetzt diesen nächsten Schritt noch machen. Also ja, ich denke, sie könnten es schaffen.“

Auch diese Prognosen sind nicht neu. Der interessan­teste Unterschie­d zu den vergangene­n Debatten ist aber der, dass die Aufmüpfige­n selber daran glauben – und dies auch deutlicher artikulier­en als je zuvor. „Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass es nächstes Jahr einen neuen Grand-slam-sieger geben wird“, sagte Alexander Zverev. „Wir alle spielen gutes Tennis, Sascha, Stefanos, ich, einige andere. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir nächstes Jahr einen neuen jungen Grand-slam-champion sehen werden“, sagte der unterlegen­e Endspiel-gegner Dominic Thiem.

Der 21 Jahre alte Tsitsipas gilt nun natürlich als erster Anwärter. Er ist der jüngste Champion bei den ATP

Finals seit Lleyton Hewitt vor 18 Jahren und der jüngste Spieler seit Jim Courier 1991, der gleich bei seinem Debüt im Finale stand. Doch während sich die Kommentato­ren in der Heimat überschlug­en, blieb Tsitsipas nach dem 6:7 (6:8), 6:2, 7:6 (7:4)-Triumph bescheiden. Er sprach wie so oft leise und fast schon ein wenig philosophi­sch: „Für uns junge Spieler ist es eine Frage der Zeit. Wir müssen sie schlagen oder darauf warten, dass sie aufhören.“

 ?? FOTO: JULIAN FINNEY/GETTY IMAGES ?? Stefanos Tsitsipas (re.) macht nach seinem Turniersie­g bei den ATP Finals fleißig Fotos mit seinen Fans.
FOTO: JULIAN FINNEY/GETTY IMAGES Stefanos Tsitsipas (re.) macht nach seinem Turniersie­g bei den ATP Finals fleißig Fotos mit seinen Fans.

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