Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Operations-sensation am „Etienne“
Mohamed Belaidi hat die 55-jährige Annette Jakubowicz nicht nur vom Brustkrebs geheilt, sondern ihr auch mit einer bisher noch nie angewandten Technik zu einer neue Oberweite verholfen. Das Ergebnis stellt er einem Kongress vor.
NORDSTADT Der Begriff der „medizinischen Sensation“sollte nicht inflationär benutzt werden. Doch die Operationsmethode, die Mohamed Belaidi, leitender Oberarzt am Brustzentrum des Neusser Johanna-etienne-krankenhauses ( JEK), Anfang 2017 angewandt hat, ist mit Sicherheit als solche zu bezeichnen. Denn Belaidi hat seiner Patientin Annette Jakubowicz nicht nur den Tumor, der bereits ihre rechte Brust komplett zerstört hatte, entfernen können. Er hat zudem ihre linke Brust waagerecht halbiert und mit diesem Gewebe die amputierte Brust wieder aufgebaut. Denn Annette Jakubowicz war nicht nur Brustkrebspatientin, sie litt zudem unter Gigantomastie. Wörtlich übersetzt bedeutet dies Riesenbrust.
Jakubowicz ist inzwischen nicht nur tumorfrei, sie hat auch ein ganz anderes Lebensgefühl: „Ich hatte früher BHS bis zu Körbchengröße F tragen müssen“, erinnert sie sich. Mit Schals und Tüchern habe sie ihre Oberweite verdeckt. „Dadurch sah ich immer aus, als wäre ich besonders dick. Dabei hatte ich nur besonders große Brüste.“Heute kleidet sie sich vollkommen anders, hat normale Körbchengröße. „Ich fühle mich schöner“, strahlt sie.
Bevor Mohamed Belaidi im Januar 2017 seine Patientin operieren konnte, musste sie sich einer drei Monate andauernden Chemotherapie unterziehen. „Denn der Tumor war zunächst inoperabel“, erklärt der leitende Oberarzt. „Er war zu ausgedehnt, hatte eine Größe von 18 mal acht Zentimetern und saß zu fest auf dem Muskel.“Im Dezember 2016 musste die Chemotherapie wegen extremer Nebenwirkungen abgesetzt werden.
Die Operation, die dann im Januar 2017 erfolgte, vereinte drei verschiedene Methoden gleichzeitig: Amputation der kranken Brust, Verkleinerung der gesunden und Rekonstruktion
anschließend. Heute steht fest: Alle Methoden waren nicht nur erfolgreich, die waagerechte Schnittführung ist zudem sehr ästhetisch. Annette Jakubowicz ist tumorfrei und kann sogar etwas Dekolleté zeigen.
Diese Teilung der Brust – auch Mamma-splitting genannt – mit horizontaler Schnittführung ist weltweit einmalig. „Ich habe überall recherchiert, aber dieses Verfahren ist bislang nicht dokumentiert“, so Belaidi. Dass amputierte Brüste mit Eigengewebe rekonstruiert werden, wenn die Patientin kein Implantat wünscht, ist längst Standard. „Meist nimmt man Gewebe aus Unterbauch, Rücken, Po oder den Schenkelinnenseiten“, erklärt Belaidi. Nachteil: Es gibt zwei Operationswunden.
Eine Besonderheit der Rekonstruktion ist das Mamma-splitting – eine Op-methode, die nur für Frauen infrage kommt, die über viel Brustgewebe verfügen. „Diese Möglichkeit hat mich über Wochen beschäftigt“, sagt Belaidi. „Ich habe ganz viel Fachliteratur dazu studiert.“Darunter die Ergebnisse von Professor Darius Dian, der erstmals weltweit eine Brust geteilt hatte. Er konnte den Nachweis erbringen, dass diese Operationstechnik funktioniert.“
Allerdings verlief die Schnittführung seinerzeit senkrecht. Belaidi überzeugte die Narbenführung jedoch nicht und plante daher eine OP mit waagerechter Brustteilung. Als er seiner Patientin dies vorschlug, willigte sie sofort ein: „Was hatte ich schon zu verlieren? Zudem hatte ich bedingungsloses Vertrauen, aber auch Angst bis in die Haarspitzen“, so die mittlerweile 55-Jährige.
Bereits einen Tag nach der knapp zweistündigen Operation war Jakubowicz mobil. „Ich war zwar ganz fest eingewickelt und erhielt Schmerzmittel, war aber beschwerdefrei“, erinnert sie sich. Natürlich seien Narben sichtbar. Immerhin musste ein sehr großer Tumor entfernt werden. „Aber das Ergebnis ist schon krass“, so die Neusserin. Der Tumor ist entfernt, beide Brüste ästhetisch verkleinert und das Dekolleté narbenfrei. Sogar Schwimmen geht sie jetzt wieder regelmäßig.
Belaidi hat inzwischen die Ergebnisse auf einem Senologie-kongress – Senologie ist die Lehre der weiblichen Brust – vorgestellt. Zurückhaltend wie er ist, hatte er dort gesagt: „Das Ergebnis ist gar nicht so schlecht.“Die Fachkollegen widersprachen vehement: „Das Ergebnis ist sensationell.“