Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Mission Befreiungsschlag
INFO
ANALYSE Die Cdu-vorsitzende Annegret Kramp-karrenbauer steht massiv unter Druck. Fehler und Fettnäpfchen haben ihren Ruf beschädigt. Beim Parteitag wird sich entscheiden, ob sie noch Chancen auf die Kanzlerkandidatur hat.
Beim Cdu-parteitag in Leipzig stehen keine Vorstandswahlen an, und dennoch werden die Delegierten über Annegret Kramp-karrenbauer abstimmen. Mit der Unterstützung oder Abwehr ihrer Themen, mit kritischen oder stützenden Reden und vor allem mit dem Beifall für sie – oder mit dem Applaus für ihre Widersacher. Allen voran Friedrich Merz, wenngleich dessen ursprünglich erwartete Offerte ins Wanken geraten zu sein scheint, nachdem er seiner harten Pauschalkritik an der Bundesregierung keine Strategie folgen ließ und Erwartungen eigener Anhänger enttäuschte. Doch die Lage in der CDU insgesamt ist angespannt. Es rumort heftig.
Im Landesverband Baden-württemberg heißt es, die CDU sei inhaltlich „insolvent“. Also pleite, bankrott, ruiniert. Darüber wird zwar in Berlin müde gelächelt, weil sich gerade die Südwest-cdu im einstigen Stammland der Christdemokraten so heruntergewirtschaftet hat, dass sie nur noch Juniorpartner der Grünen ist. Aber auch in anderen Landesverbänden ist der Unmut groß. Vor allem im Osten, wo die AFD teilweise die CDU übertrumpft hat. Das wird auch Kramp-karrenbauer und ihren Fehlern wie der langen Sprachlosigkeit in der Klimadebatte oder der Reaktion auf das Youtube-video „Zerstörung der CDU“angelastet.
Es fehlt ein Kompass, eine starke Führungsfigur, Rückhalt in der Bevölkerung. Greenpeace-chef Martin Kaiser meint: „Besonders deutlich wird die Orientierungslosigkeit beim Klima- und Umweltschutz.“Die Partei habe einen vermeintlichen Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie konstruiert, der sie auf beiden Feldern schwäche.
Von einem Jahr mit Höhen und Tiefen zu sprechen, wäre für Annegret Kramp-karrenbauer noch schmeichelhaft. Die Tiefen der Nachfolgerin von Angela Merkel an der Cdu-spitze sind zahlreicher und ausgeprägter.
Ihr Höhenflug in der Beliebtheitsskala, kurz nachdem sie Merz bei der Wahl zum Parteivorsitz knapp ausgestochen hatte, währte nur kurz. Inzwischen ist die Saarländerin in dieser Kategorie regelrecht abgestürzt. Der Ard-deutschlandtrend maß Anfang November den bisher niedrigsten Wert für die Christdemokratin. Für CDU und CSU ist das aber die Währung: Die Kanzlerkandidatur übernimmt derjenige, mit dem die Union die größten Chancen hat, auch ins Kanzleramt einzuziehen.
Bei Kramp-karrenbauer sind da in der Partei Zweifel aufgekommen. Selbst treue, aber inzwischen etwas desillusionierte Befürworter der 57-Jährigen sagen: Der Zug ist abgefahren. Stattdessen werden immer wieder die Ministerpräsidenten aus NRW und Bayern genannt, Armin Laschet und CSU-CHEF Markus Söder. Und ein anderer Teil schwärmt für Merz.
Der Cdu-bundesparteitag am Freitag und Samstag wird für Kramp-karrenbauer deshalb eine Zäsur. Sollte die Parteichefin noch eine Chance haben, das Ruder herumzureißen, wird es in Leipzig sein.
Sie muss Stärke vermitteln, Aufbruch versprühen, sympathisch und menschlich rüberkommen. So, wie es ihr in ihrer Bewerbungsrede als Generalsekretärin im Frühjahr 2018 gelungen war. Und so, wie sie die Mehrheit der Delegierten bei der Vorstandswahl am 7. Dezember 2018 für sich gewinnen konnte. Wenn auch nur denkbar knapp.
Das Interessante ist, dass auch ihre Kritiker in der Partei ihr gerade unter diesem Druck eine fulminante Rede zutrauen. Als Ju-chef Tilman Kuban im Oktober die Führungsfrage gestellt hatte, forderte Kramp-karrenbauer ihre Gegner auf, den Parteitag doch für den Versuch der Revolte zu nutzen. In deren Lager hat das mächtig Eindruck hinterlassen. Sie werde bestens vorbereitet in den Kongress gehen, ein paar Fehler eingestehen und dann den Blick nach vorn richten – und damit die Kurve kriegen, prognostiziert ein Vorstandsmitglied.
Diese drei Punkte könnte Kramp-karrenbauer
Der CDU fehlt derzeit ein Kompass und eine starke Führungsfigur