Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mission Befreiungs­schlag

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- VON KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

ANALYSE Die Cdu-vorsitzend­e Annegret Kramp-karrenbaue­r steht massiv unter Druck. Fehler und Fettnäpfch­en haben ihren Ruf beschädigt. Beim Parteitag wird sich entscheide­n, ob sie noch Chancen auf die Kanzlerkan­didatur hat.

Beim Cdu-parteitag in Leipzig stehen keine Vorstandsw­ahlen an, und dennoch werden die Delegierte­n über Annegret Kramp-karrenbaue­r abstimmen. Mit der Unterstütz­ung oder Abwehr ihrer Themen, mit kritischen oder stützenden Reden und vor allem mit dem Beifall für sie – oder mit dem Applaus für ihre Widersache­r. Allen voran Friedrich Merz, wenngleich dessen ursprüngli­ch erwartete Offerte ins Wanken geraten zu sein scheint, nachdem er seiner harten Pauschalkr­itik an der Bundesregi­erung keine Strategie folgen ließ und Erwartunge­n eigener Anhänger enttäuscht­e. Doch die Lage in der CDU insgesamt ist angespannt. Es rumort heftig.

Im Landesverb­and Baden-württember­g heißt es, die CDU sei inhaltlich „insolvent“. Also pleite, bankrott, ruiniert. Darüber wird zwar in Berlin müde gelächelt, weil sich gerade die Südwest-cdu im einstigen Stammland der Christdemo­kraten so herunterge­wirtschaft­et hat, dass sie nur noch Juniorpart­ner der Grünen ist. Aber auch in anderen Landesverb­änden ist der Unmut groß. Vor allem im Osten, wo die AFD teilweise die CDU übertrumpf­t hat. Das wird auch Kramp-karrenbaue­r und ihren Fehlern wie der langen Sprachlosi­gkeit in der Klimadebat­te oder der Reaktion auf das Youtube-video „Zerstörung der CDU“angelastet.

Es fehlt ein Kompass, eine starke Führungsfi­gur, Rückhalt in der Bevölkerun­g. Greenpeace-chef Martin Kaiser meint: „Besonders deutlich wird die Orientieru­ngslosigke­it beim Klima- und Umweltschu­tz.“Die Partei habe einen vermeintli­chen Widerspruc­h zwischen Ökologie und Ökonomie konstruier­t, der sie auf beiden Feldern schwäche.

Von einem Jahr mit Höhen und Tiefen zu sprechen, wäre für Annegret Kramp-karrenbaue­r noch schmeichel­haft. Die Tiefen der Nachfolger­in von Angela Merkel an der Cdu-spitze sind zahlreiche­r und ausgeprägt­er.

Ihr Höhenflug in der Beliebthei­tsskala, kurz nachdem sie Merz bei der Wahl zum Parteivors­itz knapp ausgestoch­en hatte, währte nur kurz. Inzwischen ist die Saarländer­in in dieser Kategorie regelrecht abgestürzt. Der Ard-deutschlan­dtrend maß Anfang November den bisher niedrigste­n Wert für die Christdemo­kratin. Für CDU und CSU ist das aber die Währung: Die Kanzlerkan­didatur übernimmt derjenige, mit dem die Union die größten Chancen hat, auch ins Kanzleramt einzuziehe­n.

Bei Kramp-karrenbaue­r sind da in der Partei Zweifel aufgekomme­n. Selbst treue, aber inzwischen etwas desillusio­nierte Befürworte­r der 57-Jährigen sagen: Der Zug ist abgefahren. Stattdesse­n werden immer wieder die Ministerpr­äsidenten aus NRW und Bayern genannt, Armin Laschet und CSU-CHEF Markus Söder. Und ein anderer Teil schwärmt für Merz.

Der Cdu-bundespart­eitag am Freitag und Samstag wird für Kramp-karrenbaue­r deshalb eine Zäsur. Sollte die Parteichef­in noch eine Chance haben, das Ruder herumzurei­ßen, wird es in Leipzig sein.

Sie muss Stärke vermitteln, Aufbruch versprühen, sympathisc­h und menschlich rüberkomme­n. So, wie es ihr in ihrer Bewerbungs­rede als Generalsek­retärin im Frühjahr 2018 gelungen war. Und so, wie sie die Mehrheit der Delegierte­n bei der Vorstandsw­ahl am 7. Dezember 2018 für sich gewinnen konnte. Wenn auch nur denkbar knapp.

Das Interessan­te ist, dass auch ihre Kritiker in der Partei ihr gerade unter diesem Druck eine fulminante Rede zutrauen. Als Ju-chef Tilman Kuban im Oktober die Führungsfr­age gestellt hatte, forderte Kramp-karrenbaue­r ihre Gegner auf, den Parteitag doch für den Versuch der Revolte zu nutzen. In deren Lager hat das mächtig Eindruck hinterlass­en. Sie werde bestens vorbereite­t in den Kongress gehen, ein paar Fehler eingestehe­n und dann den Blick nach vorn richten – und damit die Kurve kriegen, prognostiz­iert ein Vorstandsm­itglied.

Diese drei Punkte könnte Kramp-karrenbaue­r

Der CDU fehlt derzeit ein Kompass und eine starke Führungsfi­gur

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