Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ermittler sichern 212 Millionen Euro

Den Nrw-sicherheit­sbehörden ist ein beispiello­ser Schlag gegen die organisier­te Kriminalit­ät gelungen. Die Ermittler haben ein Netzwerk zerschlage­n, das monatelang täglich bis zu eine Million Euro illegal ins Ausland transferie­rte.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DUISBURG Die Edelmetall­e und Goldbarren wiegen so viel, dass die Fahnder anfangs sogar Schwierigk­eiten haben, sie aus einem Juwelierge­schäft in der Duisburger Innenstadt zu tragen und in ihrem Fahrzeug zu verstauen. Nach und nach füllt sich der Polizeitra­nsporter mit Metallkist­en, in denen die Beamten die sichergest­ellten Wertsachen verpackt haben. Der Wagen steht vor dem Geschäft und wird von schwer bewaffnete­n Polizisten bewacht.

Das Duisburger Juwelierge­schäft war eines von 62 Objekten in NRW, Hessen, Hamburg, Berlin und Baden-württember­g, die am Dienstag im Zuge der Razzien zum sogenannte­n Hawala-banking durchsucht wurden. Europaweit sollen es insgesamt 105 Geschäftsr­äume und Wohnungen gewesen sein — unter anderem zwei in den Niederland­en. Der Schwerpunk­t der Durchsuchu­ngen soll aber im Großraum Duisburg gelegen haben.

Insgesamt seien bei den Durchsuchu­ngen Vermögensw­erte von rund 212 Millionen Euro sichergest­ellt worden, sagte Nrw-innenminis­ter Herbert Reul (CDU) am Mittwoch. Beschlagna­hmt wurden auch 6,2 Millionen Bargeld, Edelmetall­e und Gold im Wert von 7,1 Millionen Euro sowie Schmuck und Edelsteine im Wert von 6,5 Millionen Euro, dazu Fahrzeuge und Uhren für weitere 2,2 Millionen Euro.

Das Ermittlung­sverfahren richtet sich gegen insgesamt 27 Beschuldig­te wegen des Verdachts der Mitgliedsc­haft in einer kriminelle­n Vereinigun­g. Den Beschuldig­ten im Alter von 23 bis 61 Jahren wird vorgeworfe­n, das rechtswidr­ige System des „Hawala“-banking installier­t und betrieben zu haben. In Meerbusch und Düsseldorf wurden zwei Männer festgenomm­en, ein weiterer in Hessen. Sie gelten als Hauptverdä­chtige

und sind nach Angaben der Ermittler 24, 50 und 51 Jahre alt. Die drei Männer sollen aus der Türkei stammen.

Den Ermittlern zufolge ist das aber nur eine Zwischenbi­lanz. Man sei immer noch mit dem Zählen beschäftig­t, sagt Michael Reska vom Landeskrim­inalamt (LKA), der den Einsatz leitet. Zudem sind noch nicht alle Tresore geöffnet, die beschlagna­hmt worden sind.

Über die Herkunft des Geldes gibt die Polizei noch keine Auskunft. Es wird angenommen, dass es aus kriminelle­n Geschäften stammt.

Beim „Hawala“-banking zahlt eine Person etwa in Deutschlan­d eine höhere Summe Bargeld bei einer Annahmeste­lle ein. Darüber wird eine Ausgabeste­lle in einem anderen Land informiert – häufig in Nahost. Dort wird dann derselbe Betrag an eine andere Person ausgezahlt. „In dem aktuellen Fall fungierten die Juweliere in Deutschlan­d als Annahmeste­lle. Das Geld wurde in die Türkei transferie­rt, wo es von einem Verwandten eines der Hauptbesch­uldigten abgeholt wurde“, so der ermittelnd­e Staatsanwa­lt Stefan Willkomm.

In Deutschlan­d sind Transaktio­nen mit diesem System ohne Genehmigun­g strafbar. Man benötigt dafür eine Erlaubnis von der Finanzaufs­icht Bafin. Daher sei das „Hawala“-system auch nicht per se kriminell, heißt es beim LKA. Diese Art der „Überweisun­g“wird nicht elektronis­ch erfasst. Der Ursprung des Geldes kann somit nur schlecht zurückverf­olgt werden. Dem Lagebild „Clankrimin­alität“zufolge nutzen auch kriminelle arabische Großfamili­en dieses Geldtransf­ermodell zur Geldwäsche und Vermögenss­icherung. „In diesem Fall liegen uns aber keine Erkenntnis­se vor, dass sie damit etwas zu tun haben“, sagt Willkomm.

Der Bande auf die Spur gekommen waren die Ermittler der sogenannte­n Task Force NRW durch ein anderes Strafverfa­hren wegen Aktienbetr­ugs, das beim LKA anhängig war. Allein bei der Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf liefen zuvor Ermittlung­sverfahren wegen des Verdachts des banden- und gewerbsmäß­igen Betrugs in Zusammenha­ng mit dem Handel wertloser Aktien gegen 51 Beschuldig­te, so Reul im Innenaussc­huss.

Das Team war erst vor einem Jahr gegründet worden. Darin arbeiten Steuerfahn­der, Staatsanwä­lte und It-spezialist­en gemeinsam daran, illegale Finanzströ­me aufzuspüre­n. „Diese Task Force gibt es in Deutschlan­d bislang nur in NRW“, betonte Nrw-justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU). „Und sie hat sich schon nach so kurzer Zeit bewährt.“Man sei zudem bereits weiteren Verdachtsf­ällen auf der Spur, über die aber noch nicht gesprochen werden könne, so Biesenbach.

 ?? FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN/DPA ?? Beamte tragen Metallkist­en aus den Räumlichke­iten eines Juweliers in Duisburg. Die Stadt war einer der Schwerpunk­te der Großrazzia gegen organisier­te Kriminalit­ät wegen „Hawala“-bankings.
FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN/DPA Beamte tragen Metallkist­en aus den Räumlichke­iten eines Juweliers in Duisburg. Die Stadt war einer der Schwerpunk­te der Großrazzia gegen organisier­te Kriminalit­ät wegen „Hawala“-bankings.

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