Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Rassisten beschimpfen deutschen Abiturienten im Netz
Ein junger Mann macht Abitur an einer Gesamtschule im Ruhrgebiet. Weil er einen Migrationshintergrund hat, wird er im Internet beleidigt.
DÜSSELDORF Gegen ein bestandenes Abitur hat für gewöhnlich niemand etwas einzuwenden. Doch ein junger Mann, der an einer Gesamtschule im Ruhrgebiet sein Abitur absolviert hat, weiß, dass es eben doch Menschen gibt, die etwas dagegen haben. Enes, dessen echter Name und Schule zum Schutz geheim bleiben, ist heute 23. Er hat immer nur den deutschen Pass besessen, sein
Großvater ist aus der Türkei eingewandert. Schon Enes‘ Vater hat Abitur gemacht. „Ihm war wichtig, dass ich das ebenfalls mache“, berichtet Enes unserer Redaktion. 2016 war es so weit, ein solides Zweier-abi. RP Online veröffentlichte die Namen der Abiturienten von Enes’ Schule – wie bei anderen Schulen auch.
Doch irgendwann fiel jemandem auf, dass die Mehrheit der Menschen auf der Liste einen Namen trugen, der auf einen Migrationshintergrund
schließen ließ. 2017 postete ein lokaler Pegida-verband diese Liste auf Facebook, versehen mit dem Hashtag „Genug_ist_genug“und dem ironisch gemeinten Kommentar „Immer mehr Deutsche machen Abitur“. Unter dem Posting stehen Kommentare wie „Koranschule“und „Und wo sind da die Deutschen?“.
Es war auch im Jahr 2017, als Enes die ersten beleidigenden Nachrichten über Facebook erhielt, berichtet er. „Ich habe sie mittlerweile alle gelöscht.“Den Inhalt fasst er so zusammen: Migranten sind hier nicht erwünscht, und wenn sie schon hier sind, sollen sie arbeiten und nicht studieren. Er war schockiert, dass allein sein Name reichte, um für eine rassistische Reaktion zu sorgen. Es gebe offenbar Menschen, die systematisch eine Liste durchgingen, um andere Menschen zu beschimpfen.
In den vergangenen Jahren hat er immer wieder solche Nachrichten
erhalten. Am Mittwoch wandte sich Enes an RP Online – mit dem Wunsch, seinen Namen von der Liste der Abiturienten zu löschen: „Dadurch, dass mein Name auf Ihrer Website erschienen ist, bekomme ich ständig Hass-botschaften und persönlich angreifende Nachrichten von Rechtsradikalen wie Pegida und AFD.“Er bat auch den Pegida-verband, seinen Namen zu entfernen.
Seine Bitte hatte zwei weitere Gründe. Zum einen baut der Wirtschaftsstudent
gerade ein Unternehmen auf und möchte nicht, dass Geschäftspartner, die seinen Namen googeln, als erstes auf ein rassistisches Facebook-posting stoßen, sondern auf seine Firmen-webseite. Zum anderen „weiß ich nicht, in welche Hände solche Listen geraten können“, sagt Enes.
Unsere Redaktion ist seiner Bitte nachgekommen. Auch der regionale Pegida-account hat seinen Namen aus dem Posting entfernt.