Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rassisten beschimpfe­n deutschen Abiturient­en im Netz

Ein junger Mann macht Abitur an einer Gesamtschu­le im Ruhrgebiet. Weil er einen Migrations­hintergrun­d hat, wird er im Internet beleidigt.

- VON SEBASTIAN DALKOWSKI

DÜSSELDORF Gegen ein bestandene­s Abitur hat für gewöhnlich niemand etwas einzuwende­n. Doch ein junger Mann, der an einer Gesamtschu­le im Ruhrgebiet sein Abitur absolviert hat, weiß, dass es eben doch Menschen gibt, die etwas dagegen haben. Enes, dessen echter Name und Schule zum Schutz geheim bleiben, ist heute 23. Er hat immer nur den deutschen Pass besessen, sein

Großvater ist aus der Türkei eingewande­rt. Schon Enes‘ Vater hat Abitur gemacht. „Ihm war wichtig, dass ich das ebenfalls mache“, berichtet Enes unserer Redaktion. 2016 war es so weit, ein solides Zweier-abi. RP Online veröffentl­ichte die Namen der Abiturient­en von Enes’ Schule – wie bei anderen Schulen auch.

Doch irgendwann fiel jemandem auf, dass die Mehrheit der Menschen auf der Liste einen Namen trugen, der auf einen Migrations­hintergrun­d

schließen ließ. 2017 postete ein lokaler Pegida-verband diese Liste auf Facebook, versehen mit dem Hashtag „Genug_ist_genug“und dem ironisch gemeinten Kommentar „Immer mehr Deutsche machen Abitur“. Unter dem Posting stehen Kommentare wie „Koranschul­e“und „Und wo sind da die Deutschen?“.

Es war auch im Jahr 2017, als Enes die ersten beleidigen­den Nachrichte­n über Facebook erhielt, berichtet er. „Ich habe sie mittlerwei­le alle gelöscht.“Den Inhalt fasst er so zusammen: Migranten sind hier nicht erwünscht, und wenn sie schon hier sind, sollen sie arbeiten und nicht studieren. Er war schockiert, dass allein sein Name reichte, um für eine rassistisc­he Reaktion zu sorgen. Es gebe offenbar Menschen, die systematis­ch eine Liste durchginge­n, um andere Menschen zu beschimpfe­n.

In den vergangene­n Jahren hat er immer wieder solche Nachrichte­n

erhalten. Am Mittwoch wandte sich Enes an RP Online – mit dem Wunsch, seinen Namen von der Liste der Abiturient­en zu löschen: „Dadurch, dass mein Name auf Ihrer Website erschienen ist, bekomme ich ständig Hass-botschafte­n und persönlich angreifend­e Nachrichte­n von Rechtsradi­kalen wie Pegida und AFD.“Er bat auch den Pegida-verband, seinen Namen zu entfernen.

Seine Bitte hatte zwei weitere Gründe. Zum einen baut der Wirtschaft­sstudent

gerade ein Unternehme­n auf und möchte nicht, dass Geschäftsp­artner, die seinen Namen googeln, als erstes auf ein rassistisc­hes Facebook-posting stoßen, sondern auf seine Firmen-webseite. Zum anderen „weiß ich nicht, in welche Hände solche Listen geraten können“, sagt Enes.

Unsere Redaktion ist seiner Bitte nachgekomm­en. Auch der regionale Pegida-account hat seinen Namen aus dem Posting entfernt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany