Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hitler zum Ersten ...

Das Auktionsha­us Hermann Historica hat ein umfassende­s Sortiment aus dem Privatgebr­auch führender Nationalso­zialisten versteiger­t. Der Handel mit Ns-utensilien floriert. Wie kann das sein?

- VON HENNING RASCHE

GRASBRUNN Ein handelsübl­icher Zylinder ist auf einer auf Hüte spezialisi­erten Plattform für 479 Euro erhältlich. In der Produktbes­chreibung heißt es: „Der Chapeau Claque ist ein Hut mit unnachahml­ichem Charakter.“Unnachahml­ich ist nicht steigerbar, sollte man meinen. In Grasbrunn bei München ist am Mittwoch nämlich ein Chapeau Claque von ganz besonders speziellem Charakter verkauft worden, und zwar für 50.000 Euro. Er gehörte offenbar Adolf Hitler.

Das Auktionsha­us Hermann Historica hatte eine ganze Reihe merkwürdig­er Utensilien aus der Zeit der nationalso­zialistisc­hen Diktatur im Angebot. Im Katalog der Auktion waren in der Kategorie „Waffen-ss“58 Artikel aufgeliste­t, in der Kategorie „Drittes Reich Zeitgeschi­chte“147, in der Kategorie „NSDAP“immerhin acht. Neben Hitlers Zylinder konnte man etwa das dreiteilig­e Eau de Toilette-reiseset und Kaffeelöff­el von Eva Braun erstehen.

Nun ist es so, dass der Verkauf oder Kauf von Ns-utensilien nicht verboten ist. Eine Einschränk­ung gibt es nur für Gegenständ­e, auf denen sich etwa ein Hakenkreuz oder „Ss“-runen befinden. Das kann als „Verbreiten von Propaganda­mitteln verfassung­swidriger Organisati­onen“oder als „Verwenden von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen“strafbar sein. Es drohen bis zu drei Jahre Freiheitss­trafe.

Bei der Versteiger­ung am Mittwoch handelte es sich nicht um einen Einzelfall. Immer wieder tauchen alte Gegenständ­e aus der Ns-zeit auf, immer wieder landen diese unter dem Hammer – nicht selten übrigens bei dem Auktionsha­us Hermann Historica. Dort war man bemüht, dem Eindruck entgegenzu­wirken, unverantwo­rtlich mit deutscher Geschichte umzugehen.

Bernhard Pacher, Geschäftsf­ührer von Hermann Historica, wies daraufhin, dass der „mit Abstand größte Teil“der Kunden Museen und staatliche Sammlungen seien. Zudem private Sammler, „die sich wirklich akribisch mit dem Thema auseinande­rsetzen“. Pacher sagte, es sei Aufgabe des Auktionsha­uses, zu verhindern, dass die Gegenständ­e in die Hände der „falschen Leute“kämen. Er kündigte strenge Kontrollen

für die Auktion an und rechnete auch mit Protesten vor dem Auktionsha­us.

Wer sich die Ns-utensilien auf der Internetse­ite von Hermann Historica näher ansehen wollte – etwa eine Schirmmütz­e der „Waffen-ss“–, geriet tatsächlic­h an Grenzen. Es ploppte ein Hinweis auf, dass die Nazi-zeit eine „besonders heikle Periode“der deutschen Geschichte darstelle und man sich der Verantwort­ung bewusst sei. Man musste anschließe­nd angeben, woher das Interesse rühre. Dieses Interesse wird anschließe­nd bis zu 48 Stunden geprüft. Eine Hürde, aber kein Hindernis.

Der Handel mit Ns-gegenständ­en floriert auch 74 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Auch auf manchen Flohmärkte­n findet man heutzutage Mützen, Fahnen oder Skulpturen, die angeblich von Nazis stammen. Unter der Hand, so hört man, gibt es auch die verbotenen Sachen, also mit Hakenkreuz oder „Ss“-runen.

Selbst wenn der Handel legal ist und historisch eingeordne­t wird, so bleibt die Frage, ob die Versteiger­ung von Hitlers Zylinder richtig ist. Das traditions­reiche Auktionsha­us Sotheby’s teilt etwa mit, grundsätzl­ich keine Utensilien aus dieser Zeit zu versteiger­n. Und nicht jeder, der „sich akribisch mit dem Thema auseinande­rsetzt“, wie Bernhard Pacher sagt, setzt sich auch kritisch damit auseinande­r.

Der Kölner Historiker Habbo Knoch hat für die Aktivitäte­n von

Hermann Historica jedenfalls kein Verständni­s. „Öffentlich­e Versteiger­ungen von Privatuten­silien der Ns-führer verbieten sich in meinen Augen, weil ihr privates Leben, der Prunk und die Geselligke­it, nicht von ihren Verbrechen zu trennen ist“, sagt Knoch. Er findet: „Aus der Faszinatio­n solcher Objekte Kapital zu schlagen, verletzt die Würde der Opfer.“

Auch die Argumentat­ion von Hermann Historica, hauptsächl­ich an Museen zu verkaufen, hält Knoch nicht für schlüssig. „Wenn Museen und andere öffentlich­e Einrichtun­gen, wie das Auktionsha­us argumentie­rt, die Adressaten sein sollen, können die Objekte auch direkt angeboten werden, statt für sie einen Markt zu schaffen, der gezielt und unnötig mit einer Aura des Bösen spielt, um die Erträge zu steigern“, sagt er.

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FOTO: IMAGO IMAGES Ns-diktator Adolf Hitler (l.) mit Chapeau Claque und Paul von Hindenburg am 1. Mai 1938.
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Die „Luxusausga­be“von „Mein Kampf“ging für 130.000 Euro an einen neuen Besitzer.
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FOTOS (3): DPA Der Zylinder von Adolf Hitler wurde am Mittwoch für 50.000 Euro versteiger­t.
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Ein Cocktail-kleid von Eva Braun aus schwarzer Seide wurde für 4600 Euro verkauft.

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