Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Kronzeuge

Der Us-botschafte­r bei der EU, Gordon Sondland, untermauer­t die Vorwürfe gegen Donald Trump in der Ukraine-affäre.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Es dauert 29 Minuten, bis Gordon Sondland die Bombe platzen lässt. Bis er, selber ein Republikan­er, auf Distanz zu republikan­ischen Kongressab­geordneten geht. Zu Politikern, die unbeirrt behaupten, Donald Trump habe von der Ukraine keine Gegenleist­ung für eine Leistung verlangt, weder Militärhil­fe noch ein Treffen mit dem neuen ukrainisch­en Präsidente­n Wolodimir Selenskij von Ermittlung­en gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter abhängig gemacht. Er wisse, sagt der Eu-botschafte­r, komplizier­te Zusammenhä­nge würden häufig auf die eine Frage verkürzt: „Gab es ein quid pro quo?“„Die Antwort ist ein Ja.“

Allerdings, schränkt Sondland ein, habe dies nach seiner Kenntnis nur für einen in Aussicht gestellten Besuch Selenskijs in Washington gegolten. Rudy Giuliani, Trumps persönlich­er Anwalt, habe zu verstehen gegeben, dass sein Mandant auf einer öffentlich­en Erklärung bestehe, in der sich Selenskij zu Nachforsch­ungen gegen Burisma verpflicht­e, den ukrainisch­en Erdgaskonz­ern, in dessen Aufsichtsr­at Hunter Biden eine Zeit lang saß. Dass es zwischen Burisma und den Bidens einen Zusammenha­ng gebe, so der Diplomat, habe er zunächst nicht begriffen. Und erst sehr spät sei ihm klargeword­en, dass das Weiße Haus, um Druck zu machen, auch Militärhil­fe für die Ukraine blockierte – jenes 391-Millionen Dollar-paket, das vom Parlament längst geschnürt worden war.

Was Sondland allerdings klipp und klar für Unfug erklärt, ist die Version mancher Anhänger Trumps, nach der Giuliani auf eigene Faust handelte, als er der Ukraine die Pistole auf die Brust setzte. Die Anweisunge­n,

stellt er klar, habe der Präsident persönlich gegeben. Auch andere Kabinettsm­itglieder, etwa Außenminis­ter Mike Pompeo, seien im Bilde gewesen.

Noch bis vor wenigen Wochen war Sondland in der öffentlich­en Wahrnehmun­g einfach ein Botschafte­r bei der Europäisch­en Union. Einer, der nach eigenem Bekunden immer schon Botschafte­r werden wollte und sich die Gunst des Präsidente­n sicherte, indem er dessen Organisati­onskomitee zur Feier der Amtseinfüh­rung eine Million Dollar aufs Konto überwies. Trump belohnte einen großzügige­n Spender, indem er ihm einen Posten in einer politisch bedeutsame­n, obendrein lebenswert­en Stadt anvertraut­e. In diesem Fall einen Hotelier von der Westküste, einen Unternehme­r, wie er selber einer war.

Tatsächlic­h war Sondland mehr als nur Eu-botschafte­r. Nach Schilderun­g anderer Zeugen der Ukraine-saga war er direkt beteiligt an dem Versuch, die Regierung in Kiew so lange unter Druck zu setzen, bis sie die Bidens ins Visier nahm. Noch vor seinem Auftritt im Geheimdien­stausschus­s des Abgeordnet­enhauses war jedem klar, dass der Mann mit dem kahlen Schädel eines der wichtigste­n Kapitel der Impeachmen­t-saga schreiben würde. Er selbst charakteri­siert sich nicht ohne Stolz als einen der „drei Amigos“, die Giuliani in geheimer Mission in Kiew unterstütz­en sollten, im Auftrag Trumps. Die beiden anderen waren der Energiemin­ister Rick Perry und Kurt Volker, Sonderbots­chafter für die Ukraine. Das Trio habe nicht freiwillig mit Giuliani zusammenge­arbeitet, betont Sondland, als er am Mittwoch in öffentlich­er Anhörung vor dem Ausschuss aussagt. Man habe es nur getan, weil es der Präsident so gewollt habe.

Trump, erklärt er, sei skeptisch gewesen, ob es Selenskij ernst meine mit seinem Reformvers­prechen. Zumal er, verweist Sondland auf eine in rechten Kreisen verbreitet­e Verschwöru­ngstheorie, geglaubt habe, dass ihn die Ukraine 2016 durch digitale Attacken um den Wahlsieg bringen wollte. Als ihn die Amigos von Selenskijs Ernsthafti­gkeit zu überzeugen versuchten, habe er sie angewiesen, „mit Rudy“zu reden. Für ihn, Sondland, seien die Forderunge­n Giulianis daher die des Präsidente­n gewesen.

Nimmt man alle Indizien zusammen, dann war Sondland im Trio der Freunde offenbar derjenige mit dem kürzesten Draht ins Oval Office. Am 26. Juli etwa, einen Tag nach einem folgenschw­eren Telefonat Trumps mit Selenskij, rief er Trump per Handy aus einem Kiewer Restaurant an, um ihn auf dem Laufenden zu halten. Die plastische Sprache, derer er sich dabei bediente, ließ auf eine gewisse Nähe schließen. „Präsident Selenskij mag Ihren Hintern“, sagte er, um kurz darauf zu versichern: „Er wird alles tun, was Sie von ihm verlangen.“Zuvor, so schilderte es ein Diplomat namens David Holmes, habe Trump gefragt, ob Selenskij denn nun ermitteln lasse. Dabei habe er so laut gesprochen, dass auch er, Holmes, es hören konnte.

Er könne sich nicht mehr an jedes Detail erinnern, versucht sich Sondland aus der Affäre zu ziehen. Man wisse ja, der Präsident habe eine Vorliebe für drastische Worte, beantworte­t er die Stilfrage. Zur Substanz bemerkt er nur: „Ich wusste, das Thema der Ermittlung­en war wichtig für Präsident Trump“.

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FOTO: AFP Gordon Sondland kurz vor Beginn der Anhörung.

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