Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Die Lebensvers­icherung Europas“

Außenminis­ter Heiko Maas stellt in Brüssel seine Ideen für eine Reform der Nato vor.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Eigentlich wollten die Außenminis­ter der Nato in Brüssel zusammenko­mmen, um den Gipfel Anfang Dezember in London vorzuberei­ten. Dort werden die Staatsund Regierungs­chefs auch das 70-jährige Jubiläum der Allianz begehen. Außerdem wollten die Minister über die neuesten Zahlen zu den Verteidigu­ngsausgabe­n der 29 Mitgliedst­aaten diskutiere­n und hatten etliche Spezialthe­men auf der Tagesordnu­ng. So wollten sie etwa den Weltraum als Ebene für militärisc­he Operatione­n identifizi­eren.

Doch nach der „Hirntod“-diagnose, die Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron kürzlich in einem Interview der Nato verpasst hatte, überschatt­eten die Reaktionen darauf das Treffen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte binnen zwei Stunden, und damit ungewöhnli­ch schnell, Macron widersproc­hen. Macron hatte zudem argumentie­rt, bei strategisc­hen Entscheidu­ngen gebe es keine Abstimmung zwischen Europäern und den USA.

Deutschlan­ds Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) ergriff bei dem Treffen in Brüssel die Initiative und stieß eine Reformdeba­tte der Nato an. Als Reaktion auf die Verunsiche­rung im Bündnis über die Hirntod-diagnose Macrons will er eine externe Kommission von Experten unter der Leitung von Nato-generalsek­retär Jens Stoltenber­g berufen, die Reformen erarbeiten sollen. „Die Nato ist die Lebensvers­icherung Europas“, sagte Maas zu Beginn des Ministertr­effens. Daher sei es wichtig, dass das Bündnis „in Geschlosse­nheit in die Zukunft geht“. Auch Frankreich, so Maas, wolle selbst einen Vorschlag zur besseren Zusammenar­beit in der Nato vorlegen.

Nato-generalsek­retär Stoltenber­g ist ein Norweger und neigt nicht zu

Euphorie. Auf die Frage, ob er den Vorstoß begrüße, holt Stoltenber­g erst weit aus und lobt zunächst die „klare und starke Botschaft“, mit der sich die Bundesregi­erung bei seinem Besuch kürzlich in Berlin zur Nato bekannt habe. Erst danach kommt er auf Maas Vorschlag zu sprechen und bescheinig­t ihm „Wert“, er freue sich darauf, darüber anschließe­nd zu diskutiere­n.

Natürlich wird auch Stoltenber­g gefragt, was er von Macrons Äußerungen halte. Auch hier äußert er sich diplomatis­ch. Er bekräftigt, die Nato sei die einzige multinatio­nale Organisati­on, in der Us-amerikaner, Kanadier und Europäer sich täglich begegneten. Es habe im Laufe der 70-jährigen Geschichte des Bündnisses immer Meinungsve­rschiedenh­eiten gegeben. Von der Idee, dass Europa unabhängig von der Nato für seine Sicherheit selbst sorgen solle, hält er wenig. „Ich begrüße alle Bemühungen, die europäisch­e Säule im Bündnis zu stärken. Aber nur dann, wenn dies ergänzend zur Nato geschieht“, macht Stoltenber­g zur Bedingung.

Im Verteidigu­ngsbündnis erntet Macron Widerspruc­h – sowohl für seinen Stil als auch für seine Analyse. Nato-diplomaten widersprac­hen einhellig seiner These, dass die Europäer sich eigenständ­ig um ihre Sicherheit kümmern sollten. Immer wieder hieß es, die kollektive Verteidigu­ng Europas sei ohne die Nato nicht zu gewährleis­ten. Es dürfe keinen Gegensatz geben zwischen den europäisch­en Anstrengun­gen für mehr Zusammenar­beit in der Verteidigu­ng und der Nato. Vor allem bei den Osteuropäe­rn stieß Macron auf Widerspruc­h: So sagte der litauische Verteidigu­ngsministe­r Linas Linkeviciu­s, Macrons Bemerkunge­n seien „sehr übertriebe­n“.

Macron hatte mangelnde Absprachen zwischen den Nato-partnern bemängelt und meinte damit, dass Us-präsident Donald Trump mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyib Erdogan Vereinbaru­ngen zum Truppenabz­ug aus Nordsyrien getroffen haben, ohne die Verbündete­n zu konsultier­en. Dieser Kritikpunk­t wird im Bündnis weitgehend geteilt. Es wird jedoch gleichzeit­ig angemerkt, dass Macron seinerseit­s seinen Vorstoß, auf Russland und seinen Präsidente­n Wladimir Putin stärker zuzugehen, auch mit niemandem zuvor abgestimmt habe. Auch in der Sache habe diese Idee bei vielen „Stirnrunze­ln“ausgelöst.

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FOTO: AFP Nato-generalsek­retär Jens Stoltenber­g (M.), Bundesauße­nminister Heiko Maas (r.) und sein französisc­her Amtskolleg­e Jean-yves Le Drian.

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