Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Tv-duell zwischen Johnson und Corbyn ohne Sieger

- VON JOCHEN WITTMANN

LONDON „Ist die Wahrheit wichtig in dieser Wahl?“, wurde Boris Johnson gefragt. „Natürlich“, erwiderte der Premiermin­ister. Schallende­s Gelächter des Publikums war die Antwort. Nicht besser erging es dem Labour-chef Jeremy Corbyn, als er erklärte, dass man beim Brexit eine klare Position habe. Der Saal reagierte mit höhnischer Heiterkeit. Bei der ersten Fernsehdeb­atte im britischen Wahlkampf zwischen dem Premiermin­ister und seinem Herausford­erer demonstrie­rte das Wahlvolk, was es von den beiden Politikern hält: nicht viel.

In einer Blitzumfra­ge nach der Debatte ermittelte das Umfrageins­titut Yougov: 51 Prozent der Befragten hielten Johnson für den Sieger, dagegen 49 Prozent Corbyn. Für den Herausford­erer ist das allerdings ein gutes Ergebnis. Denn Corbyns persönlich­e Popularitä­t ist tief im Keller. Nur 22 Prozent der Briten haben eine vorteilhaf­te Meinung von ihm, während 62 Prozent ihn ablehnen. Die Fernsehdeb­atte war somit eine hervorrage­nde Gelegenhei­t, auf Augenhöhe mit dem Amtsinhabe­r zu gehen und Boden gutzumache­n.

Der Brexit, der staatliche Gesundheit­sdienst NHS sowie die persönlich­e Integrität der Kandidaten waren die großen Themen des Abends. Die erste Hälfte der Redeschlac­ht war dem Eu-austritt gewidmet. Eindeutig Johnsons Terrain. Man habe einen „bratfertig­en Brexit-deal“, warb er, den man nur noch in den Ofen schieben müsse. Dazu brauche er eine klare Mehrheit im Parlament, das sich bisher gesträubt habe. „Den Brexit erledigen“, war der Schlachtru­f des Premiers, der ihn mindestens neunmal wiederholt­e und nicht müde wurde, das Publikum daran zu erinnern, dass Jeremy Corbyn nicht erklären könne, auf welcher Seite er stehe. „Wir werden den Brexit in sechs Monaten aussortier­en“, versuchte der Herausford­erer die Labour- Position zu erklären. Zuerst werde man innerhalb von drei Monaten einen neuen Austrittsv­ertrag, der einen viel weicheren Brexit als Johnsons Plan anstrebt, mit der EU aushandeln. Anschließe­nd soll dieser Deal mit der Alternativ­e Verbleib in einem Referendum den Briten zur abschließe­nden Entscheidu­ng vorgelegt werden. Allerdings weigerte sich Corbyn zu erklären, ob er dann beim Referendum für oder gegen den Brexit argumentie­ren würde.

Boris Johnson hatte in der zweiten Hälfte den schlechter­en Stand. Bei jedem Sachthema versuchte er, den Bogen zum Brexit zu schlagen. Teilweise wurde es absurd. Weil der Klimawande­l die größte Krise für die Welt sei, müsse man den Brexit vollziehen. Geld für den NHS könne es nur mit einer starken Wirtschaft geben, aber dafür brauche man einen zügigen Brexit. Welches Weihnachts­geschenk er Jeremy Corbyn machen würde? Eine Kopie seines ausgezeich­neten Brexit-deals. Zum Schluss antwortete das Publikum nur noch mit einem gequälten Stöhnen. Wohl auch in Erwartung, dass diese Tretmühle noch bis zum 12. Dezember weitermahl­en wird.

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FOTO: DPA Premiermin­ister Boris Johnson und Labour-chef Jeremy Corbyn.

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