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EZB: Zinstief könnte zum Risiko für Finanzstabilität werden
FRANKFURT (rtr) Die Europäische Zentralbank (EZB) warnt angesichts der Konjunkturschwäche und der Aussicht auf eine noch längere Phase ultratiefer Zinsen vor Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems im Euro-raum. Zwar unterstützten die Niedrigzinsen die Wirtschaft, sagte Ezb-vizepräsident Luis de Guindos bei der Vorlage des halbjährlichen Stabilitätsberichts. Ein daraus resultierender Anstieg der Risikobereitschaft könne mittelfristig Probleme für die Finanzstabilität schaffen. Die Behörden müssten gegen den Aufbau solcher Schwachstellen vorgehen. In Deutschland müssen die Banken bereits mehr Vorsorge für Risiken treffen. Im Juli wurde der sogenannte antizyklische Kapitalpuffer von 0,25 Prozent eingeführt.
Es gebe zwei Hauptrisiken: „Unsere Aufmerksamkeit gilt erstens der Situation der Nicht-banken“, sagte de Guindos. Die EZB treibt um, dass Investmentfonds, Versicherer und Pensionsfonds auf der Jagd nach Rendite riskantere Investments eingegangen sind. Dazu kommt laut de Guindos deren höhere Verschuldung. Bei unerwarteten Kurskorrekturen könne dies Folgen für das gesamte System haben.
Ein zweites zentrales Risiko sei die Gewinnschwäche der Banken im Euro-raum. Deren Ertragsperspektiven hätten sich weiter eingetrübt. Fusionen und Übernahmen würden in dieser Situation zwar sinnvoll sein. „Das ist aber keine Universallösung für das Problem der schwachen Ertragskraft der europäischen Banken“, sagte der Spanier.
In Deutschland klagen Geldhäuser schon seit Längerem, dass die jahrelangen Ultratiefzinsen an ihren Gewinnen nagen. De Guindos machte ihnen aber wenig Hoffnung
auf eine Umkehr: „Ich glaube nicht, dass wir nahe am Umkehrzins sind.“So wird in der Fachwelt der Zinssatz bezeichnet, ab dem die schädlichen Auswirkungen der ultralockeren Geldpolitik überwiegen. De Guindos räumte zugleich ein, dass die Nebeneffekte der Geldpolitik inzwischen greifbarer seien.
Unbehagen bereiten der EZB außerdem die hohen Schuldenstände und Haushaltsdefizite in manchen Euro-ländern. Sollte sich die Konjunktur erheblich eintrüben, könnten Staaten mit fragilen Finanzen am Markt wieder in den Fokus rücken, hieß es im Bericht. Auch die steigenden Preise für Wohnimmobilien machen der EZB Sorgen. Im Schnitt seien die Preise im Euro-raum um mehr als sieben Prozent überbewertet. Dabei gebe es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern.