Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Bilanz von Löw in der Qualifikation
Deutschland beendet das Länderspieljahr 2019 mit einem 6:1-Kantersieg gegen Nordirland. Eine Bilanz.
DÜSSELDORF Natürlich gab es noch eine kleine Ehrenrunde. Vom Rasen des Frankfurter Stadions wurde freundlich ins Publikum gewinkt, von den Rängen winkten die Fans nach dem 6:1 gegen Nordirland ebenso freundlich zurück. Beide Seiten hatten nach einem erfreulichen Spiel und Platz eins zum Abschluss der Gruppenspiele in der Em-qualifikation allen Grund dazu. Und dann war das Länderspieljahr 2019 für die deutsche Nationalmannschaft vorbei. Das erste Jahr des Umbruchs nach dem Absturz bei der WM 2018. Eine Bilanz.
Höhepunkt und Tiefpunkt. Die Dfb-auswahl hatte genau einen ernstzunehmenden Gegner in der Qualifikation: die Niederlande. Vier Tage nach dem 1:1 gegen Serbien gewann Löws Mannschaft selbst für ihn überraschend mit 3:2 in Amsterdam. Von Souveränität war am Ende nichts mehr zu sehen. Das Rückspiel wurde zu einer kleinen Vorführung. Löws Elf ging in Hamburg zwar in Führung, aber sie fand gegen den fußballerisch überlegenen Gegner nie zur Sicherheit. In der Verteidigung fielen die Deutschen von einer Verlegenheit in die andere, Holland drückte seine Überlegenheit beim 4:2 noch gnädig aus. Man musste Böses befürchten.
Das Abwehrspiel. Löw hat in einer auch im Rückblick bemerkenswert kurzen Reise nach München seine Weltmeister-innenverteidigung Jerome Boateng/mats Hummels entsorgt. Nach Hummels rufen immer noch viele, die teilweise bedenkliche Abwehrleistungen in Qualifikation und Testspielen erlebten. Selbst allenfalls zweitklassige Gegner offenbarten die Schwächen der deutschen Defensiv-akteure und deren Probleme in einem geordneten Aufbau. Weil niemand weiß, ob Niklas Süle bis zur Europameisterschaft
rechtzeitig von seinem Kreuzbandriss genesen sein wird, ist Hummels immer noch eine Option – obwohl sich in Abwesenheit der meisten Stammspieler zum Beispiel der Mönchengladbacher Matthias Ginter zuletzt in den Vordergrund gespielt hat. Innen und außen fehlen trotzdem Spieler mit international herausragender Klasse und Erfahrung.
Löws Leistung. Der Beitrag des Bundestrainers ist noch nicht so richtig abzuschätzen. Trotz der verkorksten WM, zu der er entscheidende Beiträge geleistet hatte, setzte ihn das Dfb-präsidium schnell (zu schnell?) wieder an die Spitze eines notwendigen Umbaus. Bislang konnte Löw den Neuanfang lediglich moderieren, viele Verletzungen machten es schwer, eine Kernmannschaft zu finden. Natürlich hat er das bei jeder Gelegenheit betont.
Zum wiederholten Mal in seiner schon recht langen Dfb-geschichte hat der Bundestrainer das Glück, aus einem erstaunlichen Angebot von Klassespielern zu schöpfen. Dafür kann er nichts, so wenig wie für die Verletzungsmisere, die das Team in den vergangenen Wochen ereilt hat. Mit beiden Phänomenen muss er nur richtig umgehen und wieder die richtige Balance für seine Mannschaft finden. Ob ihm das wirklich gelingt, wird das kommende Frühjahr zeigen.