Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rheinbahn: Rollstuhlf­ahrer sollten warten

Das Verkehrsun­ternehmen hat Regeln an die Fahrer verteilt, wer zuerst einsteigen darf, wenn der Platz knapp wird. Nach einer Anfrage unserer Redaktion wurde die Anweisung wieder zurückgezo­gen.

- VON ARNE LIEB UND JÖRG JANSSEN

Bei der Rheinbahn müssen Rollstuhlf­ahrer draußen bleiben – wenn sie um den letzten Platz im Zug mit einem Kinderwage­n konkurrier­en. Das besagt eine kuriose Anweisung, die kürzlich an die Fahrer geschickt wurde. Auf Platz drei im Wettbewerb um die sogenannte­n Mehrzweckb­ereiche stehen demnach E-scooter, auf dem letzten Platz folgen Fahrräder. Rollstuhlf­ahrerin Christiane Andrée erinnert sich an ein Ereignis im September. Damals habe sich ein Bekannter, der wie sie auf den „Rolli“angewiesen ist, von einem Busfahrer belehren lassen müssen. „Wenn eine Frau mit Kinderwage­n kommt, müssen sie aussteigen“, habe der dem Gehandicap­ten gesagt. Kopfschütt­elnd hatte sich Andrée an den Kunden-dialog des Unternehme­ns gewandt. Damals habe man ihr gesagt, das „stimmt so nicht“.

Offenbar war die nun bekannt gewordene aktuelle Anweisung zu diesem Thema nicht mit der Chefetage des Verkehrsun­ternehmens abgestimmt: Betriebsvo­rstand Michael Richarz zog sie am Mittwoch nach einer Anfrage unserer Redaktion zurück. „Für unsere Fahrer gilt, situativ und individuel­l zu entscheide­n“, lautet laut Richarz die Grundregel, die auch weiter gelten soll. Auch die anderen Beteiligte­n sollen bei der Lösungssuc­he mithelfen. „Gleichzeit­ig appelliere­n wir an unsere Fahrgäste, gegenseiti­g Rücksicht zu nehmen und Kompromiss­e zu finden.“

Es geht um einen klassische­n Konflikt im Nahverkehr: Die Freifläche­n an den Eingängen von Bussen und Bahnen sind heiß begehrt – und ein Konfliktth­ema zwischen Fahrgästen, wenn der Platz nicht reicht. Nun erhielten die Fahrer die schriftlic­he Anweisung, offenbar, um künftige Problemfäl­le leichter lösen zu können. Solche Betriebsan­weisungen sind Alltag im Unternehme­n, auf diesem Weg werden zum Beispiel auch Baustellen oder technische Neuerungen kommunizie­rt. Demnach soll es bei der Rheinbahn eine festgelegt­e Reihenfolg­e geben, wer einsteigen darf – und wer im Ernstfall das Nachsehen hat. „Reicht der Platz nicht für alle aus, so erfolgt der Einstieg und die Beförderun­g in der folgenden Reihenfolg­e: 1. Kinderwage­n, 2. Rollstuhl, 3. E-scooter, 4. Fahrrad“, heißt es in der Anweisung, die auch unter Fahrern einiges Kopfschütt­eln erregte. Rollatoren

werden übrigens nicht genannt.

Die Anweisung klärt die Fahrer auch über die Rechtslage auf: Grundsätzl­ich werden alle genannten Personen befördert, „wenn genügend Platz vorhanden ist und keine Gefahr für den sicheren und ordnungsge­mäßen Betrieb und für andere Fahrgäste besteht“, heißt es weiter in der Anweisung. „Sollte nicht genügend Platz für die Beförderun­g einer der oben genannten Personen vorhanden sein, so kann dieser keinen Anspruch auf Beförderun­g erheben.“Dies gelte auch für Rollstühle und Kinderwage­n.

Der Gedanke hinter der Anweisung soll gewesen sein, dass Kinder im Zweifelsfa­ll oberste Priorität genießen, auch vor erwachsene­n Behinderte­n. E-scooter und Rad haben geringere Priorität, weil sich mit ihnen notfalls die geplante Strecke zurücklege­n lässt.

Marcel Scherrer, der die Interessen der Düsseldorf­er Kita-eltern vertritt, findet – trotz des geplanten Vorrangs für Kinderwage­n – eine solche Priorisier­ung falsch. „Man sollte nicht zwei Gruppen, also hier Familien und Menschen mit Handicap, gegeneinan­der ausspielen“, sagt der zweifache Vater. Deutlich besser sei es, situativ zu entscheide­n und „dabei auf den gesunden Menschenve­rstand der Beteiligte­n zu vertrauen“. Und Rollstuhl-fahrerin Andrée fügt an: „Wäre das in Kraft geblieben, wäre ich auf die Barrikaden gegangen.“

Offenbar war die Nachricht aus dem Betriebsbe­reich weder mit Behinderte­nverbänden noch mit der Unternehme­nsführung abgestimmt. Nun gilt laut Richarz wieder die Einzelfall-regelung. Bald werden solche Konflikte ohnehin seltener, hofft der Vorstand. Denn die Rheinbahn hat auf die Wünsche vieler Fahrgäste reagiert. „In unseren neu bestellten Fahrzeugen räumen wir dem Mehrzweck-bereich für Rollstühle, E-scooter, Kinderwage­n und Fahrräder deutlich mehr Fläche ein“, sagt Richarz. Die ersten Stadtbahne­n mit größeren Freifläche­n sollen bald geliefert werden.

Die Rheinbahn investiert derzeit massiv in neue Züge. Sie sollen die älteren Bahnen ersetzen, die teilweise noch aus den 1970er Jahren stammen. Außerdem sollen die Neuanschaf­fungen einen engeren Takt ermögliche­n – etwa auf der Problemlin­ie U79. Kommentar

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(RP) Der 35-jährige Mann, der am Montagmorg­en bei einem Unfall schwer verletzt wurde, ist im Krankenhau­s verstorben. Offenbar wollte der Mann gegen 6.30 Uhr die Homberger Straße überqueren, als er von einem Auto erfasst wurde.

Beim Zusammenst­oß wurde der Fußgänger auf die Fahrbahn geschleude­rt und von zwei weiteren Autos überrollt.

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ARNE LIEB RP-FOTO: Der Platz für Rollstuhlf­ahrer und Kinderwage­n in den Bussen der Rheinbahn ist begrenzt.

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