Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wie Senioren in Zeiten der Pandemie leben

Viele Senioren leiden unter dem Kontaktver­bot während der Corona-krise. Doch Margot und Heinz Kerres, Irmgard Kaiser und Annemarie Hoersch lassen sich auch in dieser schwierige­n Zeit nicht unterkrieg­en.

- VON ELISABETH KELDENICH

KAARST Man sollte nicht glauben, dass der Satz „Wir sitzen auf der Sonnenseit­e des Lebens“in der aktuellen Corona-krise aus dem Mund einer Seniorin kommt. Doch Margot Kerres sieht es so, denn die 86-jährige nutzt derzeit jeden Sonnenstra­hl gemeinsam mit ihren Ehemann Heinz (87) auf dem großen heimischen Balkon. Dort erfreut sich das Ehepaar an blühenden Narzissen und verschafft sich so eine positive Atmosphäre, in der sie es während der Krise gut aushalten. Überhaupt klingt beim Telefonat keine Verzweiflu­ng, sondern eher Gelassenhe­it und Hoffnung durch, dass in naher Zukunft alles wieder gut sein wird. Mit den Dingen des täglichen Bedarfs wird Familie Kerres durch den am Ort wohnenden Neffen versorgt: „Wir verabreden per Anruf, wann er eine Tasche mit Einkaufsli­ste und Geld bei uns vor der Tür abholen kommt“, erzählt Heinz Kerres. Anschließe­nd stellt der Neffe die gewünschte­n Besorgunge­n wieder ab. „So erfüllen wir das Kontaktver­bot. Das ist alles wirklich gut geregelt“, sagt Heinz Kerres. Das Ehepaar hat drei Kinder und fünf Enkel – sie wohnen weit weg: „Im Schwarzwal­d, am Bodensee und im Hunsrück“, zählt Margot Kerres auf. Aber alle rufen täglich an – sozialer Kontakt läuft in der Corona-zeit eben anders ab. Auch die wöchentlic­hen Kirchencho­rproben fehlen Familie Kerres – dafür freuen sie sich über telefonisc­he Nachfragen anderer Mitglieder. Anfang März waren Margot und Heinz Kerres zwei Wochen auf Teneriffa und hatten „wahnsinnig­es Glück“, am 17. März noch heil zurückzuko­mmen. Sie richten ihr Augenmerk auf die Zukunft, denn im August wollen sie ihre eiserne Hochzeit (65 Jahre verheirate­t) feiern.

Auch Irmgard Kaiser (86) verbreitet Optimismus, wenn sie sagt, dass sie aktuell keine Not leidet: „In meinem Haus haben sich jüngere Nachbarn angeboten, Besorgunge­n zu machen“, so die Alleinsteh­ende. Das klappe prima. Tasche, Liste und Geld werden an der Tür mit gebührende­m Sicherheit­sabstand übergeben. Hier ist der sehr geräumige Flur plötzlich ein echter Vorteil. Nur Bankgeschä­fte erledigt Irmgard Kaiser selbst und kommt auf diese Weise auch mal nach draußen. Sonst genießt sie ihre Wohnung, in der sie genug Beschäftig­ung hat und vor allem ihre große Loggia: Dort besuchen sie viele Vögel. Über ihre

Wohnlage im Kaarster Osten sagt sie: „Das ist halb wie im Paradies!“Irmgard Kaiser hat früher in Köln gelebt. In Kaarst profitiert sie nun von ihren vielen guten Kontakten zu Freunden, Bekannten und der kfd (Katholisch­e Frauengeme­inschaft Deutschlan­ds), die sich jetzt telefonisc­h um sie kümmern. Große Sorgen macht sie sich um Freiberufl­er. Denn Irmgard Kaiser war selbst vier Jahre auf diese Weise tätig, bevor sie als Szenen- und Kostümbild­nerin eine Festanstel­lung beim WDR fand. Sie leidet mit den Menschen, deren berufliche Existenz auf dem Spiel steht: „Sie und wir alle sehen keinen rosigen Zeiten entgegen“, meint sie. Unterkrieg­en lässt sich auch Annemarie Hoersch nicht. Die 87-jährige hält sich in ihrem Haus auf und nutzt ihren großen Garten, um an der frischen Luft zu sein. Ihre Tochter wohnt direkt nebenan und bringt ihr jeden Tag das Essen und sorgt für Einkäufe.

Ein Wermutstro­pfen ist der fehlende Kontakt zu Enkeln und Urenkeln, der nur über das Handy möglich ist. Die Sonntagsme­sse und den anschließe­nden „Stammtisch“im Eiscafé vermisst Annemarie Hoersch besonders: „Wir telefonier­en viel und alle sind froh, wenn sie etwas voneinande­r hören“, sagt Hoersch.

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NGZ-FOTO: ANJA TINTER Margot und Heinz Kerres werden von ihrem Neffen mit Lebensmitt­eln und anderen Dingen versorgt. So halten die beiden Senioren das Kontaktver­bot ein.

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