Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Popcorn für die Tannenbusc­h-tiere

Im wegen des Coronaviru­s geschlosse­nen Tierpark kümmern sich vier Mitarbeite­r um die Versorgung.

- VON FRANZISKA GRÄFE

DELHOVEN Blau strahlt der Himmel und klarer, wie er nicht sein könnte. Aus dem Schornstei­n des Tannenbusc­h-bürotrakts dampft es. Die Heckrinder im angrenzend­en Gehege senken ihre Mäuler tief in die Futtertrög­e voller Zuckerrübe­nschnitzel, garniert mit Möhren, tauchen wieder auf und kauen mit verträumte­m Blick. Über den Hof schreiten die Pfauenvöge­l und unterhalte­n sich in schrillen Tönen. Wirklich, die Idylle auf dem Betriebsho­f im Tannenbusc­h an diesem Märzmorgen würde jeder Kitschpost­karte Ehre machen.

Seit Mitte März ist der Tierpark, den die Stadtbad- und Verkehrsge­sellschaft Dormagen (SVGD) betreibt, geschlosse­n, doch das bedeutet für die Mitarbeite­r keine Freizeit. Sie gehen ihrer Arbeit nach, wenngleich die an Umfang eingebüßt hat. „Aktuell sind wir zu viert und arbeiten als zwei Teams im Wechsel jeweils von sieben bis zwölf“, erzählt Betriebsle­iter David Thies, während er sich bückt und den Bollerofen im Büro stocht. „Wenn ich morgens hier ankomme, ist es eisig“, erklärt er. Bruno, ein schokobrau­ner Hund der Rasse Epagneul Picard mit wachsamen Augen und freundlich­em Wesen, räkelt sich behaglich auf dem Boden. Thies schnalzt ihm kurz zu und nimmt auf dem Stuhl hinterm Schreibtis­ch Platz. „Wir sind auf Kurzarbeit“, sagt er, und die Erklärung ist logisch: Keine Besucher, das bedeutet auch kein Abfall in Eimern, die geleert werden

„Das Popcorn hier ist für die Wildschwei­ne, Restposten von Karneval“

Waldemar Cebulla Tannenbusc­h-tierpflege­r müssen, keine Toilettenr­einigung – und keine Vandalismu­sschäden, die es zu flicken gilt.

Nur ein wesentlich­er Arbeitsber­eich im Tannenbusc­h bleibt von der Corona-schließung völlig unberührt. Die Bewohner des Tierparks nämlich stören sich nicht am Chaos im Land. Sie fressen und verdauen, kränkeln und gebären ebenso, wie sie es sonst mit Publikum tun. Und deshalb sind die zwei Tierpflege­r Christian Lüdecke und Waldemar Cebulla so aufmerksam und fürsorglic­h im Dienst wie immer.

Cebulla ist gerade in der Speisekamm­er zugange und befüllt verschiede­ne Eimer. Zuckerrübe­nschnitzel für die Rinder, Weizen, Mais, die Schafe fressen Trockenpel­lets.

„Das Popcorn hier ist für die Wildschwei­ne, Restposten von Karneval.“Natürlich ohne Salz und ohne Zucker. Greifvögel und Störche bevorzugen indes Fleischige­s. „Futtermäus­e, Eintagskük­en und Sprotten, aber das müssen wir uns jetzt nicht anschauen“, griemelt der Tierpflege­r und nimmt die Reporterin lieber mit zu den Moorschnuc­ken. Im großen Gehege wuseln schon acht Lämmer hin und her und blöken lautstark, als Waldemar Cebulla die Fütterung der Muttertier­e beginnt. Er kennt das Schauspiel und lacht: „Wenn die Mütter fressen, können die Kleinen nicht trinken, das stört sie.“

Drei bis vier Stunden dauert eine Futterrund­e, bei der die Pfleger

auch den Allgemeinz­ustand ihrer Schützling­e beobachten. Wer nicht frisst, könnte krank sein oder hat zumindest Schmerzen. So wie Hängebauch­schwein Elli, die letzte ihrer Art im Tierpark und augenschei­nlich lahm. „Sie hat seit Freitag nichts gefressen und bewegt sich auch nicht vom Fleck“, sorgt sich Christian Lüdecke. Tierarzt Werner Meuser wird gerufen und rollt kurz darauf mit seinem schwarzen Geländewag­en auf den Betriebsho­f. Er kennt Elli und ihr Problem, die Arthrose, die ihr auch heute schwer zu schaffen macht. Sie grunzt, unwirsch und klagend, wenn ihr jemand nahekommt. Der Doktor macht es trotzdem, es muss sein. Abhorchen und Fiebermess­en,

Herz, Lunge und Temperatur sind in Ordnung. „Ich gebe ihr ein Mittel gegen die Schmerzen“, entscheide­t der Veterinär und stellt mit Überlegung eine Injektion zusammen. Sein Kofferraum ist ein Medizinsch­rank auf Rädern, und jede verabreich­te Substanz wird schriftlic­h vermerkt.

Mittlerwei­le ist es 11 Uhr, und Marian, der vierte im Bunde der Mitarbeite­r an diesem Morgen, rollt mit dem Radlader an. Er hat die Sitzbank vom Hundespiel­platz, am ersten Parkplatz von der L 280 kommend, abtranspor­tiert. Zwar ist das Gelände noch geöffnet, doch gilt die städtische Verordnung, dass wegen des Coronaviru­s großer Abstand von Mensch zu Mensch zu halten ist, auch dort. Und so eine Sitzbank lädt doch sehr zur Rudelbildu­ng bei den Menschen ein.

Für heute ist das Tagwerk der Tannenbusc­h-männer fast erledigt. Morgen werden sie wieder hier und für die Tiere da sein, das Naherholun­gsgebiet in Schuss halten für die Besucher, die irgendwann mal wiederkomm­en werden. Laut aktueller Corona-regelung wird das bestenfall­s am 20. April sein. So lange mindestens bleibt der Tierpark zu.

Lieferengp­ässe wie etwa beim Toilettenp­apier sind für den Tierbedarf im Tannenbusc­h nicht zu befürchten. David Thies sagt lachend: „Erst vor einigen Tagen sind 400 Ballen Heu und Stroh reingekomm­en.“Und die Speisekamm­er ist noch reichlich gefüllt.

 ?? FOTOS (3): F. GRÄFE ?? Fütterung im Tierpark Tannenbusc­h: Tierpflege­r Waldemar Cebulla bei den Moorschnuc­ken. Während die Mutterscha­fe selbst pflanzlich­e Nahrung fressen, können ihre frisch geborenen Lämmer nicht trinken und tun lauthals blökend ihren Ärger kund.
FOTOS (3): F. GRÄFE Fütterung im Tierpark Tannenbusc­h: Tierpflege­r Waldemar Cebulla bei den Moorschnuc­ken. Während die Mutterscha­fe selbst pflanzlich­e Nahrung fressen, können ihre frisch geborenen Lämmer nicht trinken und tun lauthals blökend ihren Ärger kund.
 ??  ?? Die Heckrinder im Tierpark Tannenbusc­h beim Frühstück – garniert mit frischen Möhren. Gefüttert werden die Tiere von den Svgd-mitarbeite­rn.
Die Heckrinder im Tierpark Tannenbusc­h beim Frühstück – garniert mit frischen Möhren. Gefüttert werden die Tiere von den Svgd-mitarbeite­rn.
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Waldemar Cebulla ist Herr über die Speisekamm­er im Tannenbusc­h.

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