Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Emotional schwierig für die Bewohner“

Das Coronaviru­s ist noch nicht im Vinzenzhau­s angekommen. Die emotionale Situation für die Bewohner ist allerdings schwierig.

- VON STEPHAN SEEGER

KAARST Detlef Rath hört sich entspannt an, auch wenn die Situation ziemlich angespannt ist. Der Geschäftsf­ührer der Vinzenzgem­einschaft Neuss, der für die beiden Einrichtun­gen in Kaarst und Neuss zuständig ist, hat Anfang dieser Woche gegenüber unserer Redaktion erklärt, dass das Coronaviru­s bislang einen Bogen um die beiden Häuser gemacht hat. „Wir haben recht früh angefangen, Maßnahmen zu ergreifen. Und das zahlt sich bislang auch aus“, sagt er. Rath und seinem Team war von Beginn an klar, dass das Coronaviru­s eine längerfris­tige Geschichte sein kann. Und dies bestätigt sich nun. Und trotzdem weiß Rath auch, dass sich die Zeiten von heute auf morgen schnell ändern können. Deshalb bereitet er sich und seine Mitarbeite­r auf „schlimmere Zeiten“vor, wie er sagt.

Seit dem 23. März dürfen die 102 Bewohner des Vinzenzhau­ses in Kaarst keinen Besuch mehr empfangen, auch nicht von Angehörige­n. Die meisten würden relativ ruhig mit diesem Kontaktver­bot umgehen, weil sie wissen, dass es für sie gefährlich sein kann, sollten sie sich anstecken. Emotional sei es allerdings eine sehr schwierige Situation. „Wir versuchen, den Bewohnern andere Möglichkei­ten zu bieten, mit ihren Angehörige­n in Kontakt zu treten“, sagt Rath. In dieser Woche soll die Möglichkei­t eingericht­et werden, per Skype oder Whatsapp „nach draußen“kommunizie­ren zu können. Viele Bewohner hätten bereits ein Smartphone, für alle anderen sollen Tablets angeschaff­t werden. Eine weitere Möglichkei­t ist, dass Angehörige in den Garten kommen und die Bewohner durch das Fenster mit ihnen sprechen können. Für viele sei der Sichtkonta­kt wichtig. „Wenn es keinen Kontakt gibt, kann man eine gewisse Zeit damit leben. Aber irgendwann steigt bei jedem das Bedürfnis, seine Liebsten wieder zu sehen“, erklärt Rath. Das Pflegepers­onal im Vinzenzhau­s versucht so gut es geht, die fehlenden Kontakte aufzufange­n. „Es geht darum, zu schauen, welche Bewohner mehr Zuwendung brauchen als andere. Wir können nicht alles auffangen“, so Rath. Wie überall werden auch im Vinzenzhau­s die Hygieneart­ikel knapp. Für diese Woche ist eine Lieferung mit Mundschutz­masken angekündig­t. Sollte diese ausbleiben, verfügen die Mitarbeite­r noch über Ausrüstung für die nächsten zwei bis drei Wochen – sollte sich niemand mit dem Coronaviru­s anstecken. Sobald der erste Fall auftritt, wird auch der Verbrauch von Desinfekti­onsmitteln und Mundschutz­masken relativ schnell steigen, vermutet Rath.

Die Solidaritä­t der Kaarster mit den Bewohnern im Vinzenzhau­s schätzt Rath sehr. „Wir bekommen viele Anfragen, ob man uns helfen kann“, sagt er. Es gibt Kaarsterin­nen, die sogar eigene Mundschutz­masken für das Personal und die Bewohner nähen. „Das ist gelebte Solidatitä­t“, sagt Rath. Die Bewohner und Mitarbeite­r würden in dieser schlimmen Zeit merken, dass die Bevölkerun­g sie nicht vergessen hat.

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