Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gottesdien­st auf der Klosterwie­se

Zu den Utensilien für die heilige Messe zählten dieses Mal auch Desinfekti­onsmittel. Die Besucher, die den Mindestabs­tand einhielten, hörten nicht nur die Stimmen des Paters und des Organisten, sondern auch die der Vögel.

- VON RUDOLF BARNHOLT

DAMM Abstand halten beim Gottesdien­st: Wo ist das leichter möglich als auf der Wiese des Nikolauskl­osters? Am Samstagnac­hmittag war alles bestens vorbereite­t, Joachim Schröder hatte als Küster neben den üblichen Utensilien auch das Desinfekti­onsmittel nicht vergessen, die Firma Vision Media Systems aus Neuss hatte die technische­n Voraussetz­ungen dafür geschaffen, dass Pater Andreas Petith auch auf dem hintersten Platz gut zu hören war. Was zunächst jedoch fehlte, waren die Besucher. Das dürfte an den dunklen Regenwolke­n gelegen haben. Aber Punkt 18 Uhr waren dann doch alle 100 weißen Gartenstüh­le besetzt, und einige Besucher mussten sich mit einem Stehplatz begnügen. Pater Petith merkte man deutlich an, dass ihm seine Predigt sehr am Herzen lag. Und sie hatte denn auch den Charakter einer Ruckrede.

„Vielleicht sind die schlechten Zeiten gar nicht so schlecht. Eine Krise kann auch die Stunde der Wahrheit sein“, sagte Pater Andreas Petith. Er hofft, dass die Menschen etwas daraus lernen mögen. Zum Beispiel, „dass das Heil nicht allein in Wirtschaft, Fortschrit­t und Wachstum zu suchen ist“. Seine Bilanz: „Je mehr wir haben, desto ärmer sind wir geworden.“Die Zeit sei arm an Gütern, die es nicht zu kaufen gibt wie Treue und verlässlic­he Beziehunge­n. Mit der Corona-krise sei quasi über Nacht das große Erwachen gekommen. „Wir haben hier wegen des Borkenkäfe­rs zwölf Bäume fällen müssen, das Klima verändert sich“, beklagte der Prediger. „Gesundheit, tiefe Freude, ein glückliche­s Gelingen unseres Lebens, all das können wir nicht kaufen, wir bekommen es von Gott geschenkt. Jesus gibt unserem Leben Fülle“, hörten die Gläubigen, die von einem Regenschau­er verschont bleiben sollten. Und sie gehörten die Klänge und die Stimme von Organist Detlef Monecke – und das Zwitschern der Vögel.

Es waren vor allem ältere Menschen, die endlich mal wieder einen richtigen Gottesdien­st mitsamt Abendmahl feiern wollten, aber einige Jüngere waren ebenfalls dabei. Petra Heimanns aus Kleinenbro­ich saß in der ersten Reihe. Sie ist fest im Glauben verankert. „Den Ostergotte­sdienst habe ich am Laptop per Lifestream verfolgt, es war ein Geistergot­tesdienst“, sagte Petra Heimanns. Sie war jetzt umso glückliche­r über den Gottesdien­st auf der Klosterwie­se. Stefanie Kerstges aus Neuss war mit Ehemann Gerd gekommen, der für die Tontechnik zuständig war. „Morgens hatten wir noch überlegt, ob wir die Veranstalt­ung absagen sollten, weil es sehr kalt war und es zu regnen drohte“, erklärte sie.

Pater Petith warb in seiner Predigt ja für eine Entschleun­igung auch in der Zeit nach Corona. Ob er dabei auch an Peter Strehlau gedacht hat: Der 73-Jährige lauschte dem Gottesdien­st auf dem Klappstuhl seines kleinen Wohnwagens. Er hat seine Wohnung in Glehn aufgegeben und möchte mit seiner Frau Europa erkunden. „Wer sich weiterentw­ickeln will, muss die Komfortzon­e verlassen“, ist seine Devise.

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FOTO: ANJA TINTER Beim Gottesdien­st auf der Klosterwie­se mit Pater Andreas Petith waren die 100 Gartenstüh­le besetzt. Einige Besucher mussten mit einem Stehplatz Vorlieb nehmen.

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