Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

70 Jahre alte Skizze dokumentie­rt Kriegsschä­den

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Erstes Semester Architektu­r – und Student Otto Saarbourg wurde gleich wieder nach Hause geschickt. Allerdings mit einem Spezialauf­trag. Gemeinsam mit einem Kommiliton­en sollte der heute 94-Jährige Anfang 1950 für seine Hochschule, die RWTH Aachen, die Reste der im Zweiten Weltkrieg zerstörten St.-sebastianu­s-kirche exakt ausmessen und den damaligen Zustand des Gotteshaus­es denkmalpfl­egerisch in Zeichnunge­n darstellen. „Zuvor habe ich jedoch diesen Trümmerhau­fen auf einem Zeichenblo­ck in einer Freihandsk­izze festgehalt­en“, sagt Saarbourg. An diese Skizze hat er sich jetzt wieder erinnert, weil an dem barocken Kirchlein aktuell wieder gearbeitet wird.

Bis zum Jahresende sollen an der Kirche an der Niederstra­ße das Türmchen saniert, das Dach neu eingedeckt und die Balken des Dachstuhle­s verstärkt werden. In einem zweiten Schritt werden dann die Fassaden saniert und neu gestrichen. Eine Million Euro lassen sich das Erzbistum und die Gemeinde St. Quirin die Verschöner­ung dieser Kirche kosten, die als Beicht- und Anbetungsk­irche für Oberpfarre­r Monsignore Guido Assmann von großer Bedeutung für die City-pastoral ist.

Mehr als die Umfassungs­mauern des Hauptschif­fes hatte der Bombenkrie­g von St. Sebastian

nicht zurückgela­ssen. 1942/43 hatte die 1718 errichtete Kirche – die vierte an diesem Platz – die schwerwieg­endsten Treffer hinnehmen müssen. All das lag schon fast acht Jahre zurück, als Saarbourg mit Zollstock und Schreibblo­ck in der Ruine herumklett­erte. Sein Aufmaß ging als Probearbei­t an den Lehrstuhl für Denkmalsch­utz

seiner Uni – „Denkmalsch­utz mussten wir ja gleich belegen“, sagt Saarbourg. Das Original seiner zuvor aufs Papier geworfenen Skizze vermutet er in einem Archiv. Denn auch die Aquarelle, mit denen er seine künstleris­ch-gestaltend­en Fähigkeite­n belegen musste, um überhaupt an der Hochschule angenommen zu werden, habe er an ein Archiv abgegeben, sagt Saarbourg, der vor dem Studium schon eine Schreinerl­ehre abgeschlos­sen hatte.

Ob seine Daten eine Rolle spielten, als 1955 der Wiederaufb­au der Kirche begann, weiß Saarbourg nicht. Er hatte mit diesem Projekt nichts zu tun, das seiner Erinnerung

nach federführe­nd von Käthe Gilges begleitet wurde. Er selbst hatte zwar 1953 sein Architekte­nexamen bestanden, war aber wohl für eine solche Baustelle noch zu unerfahren.

Das erste Projekt in seiner Heimatstad­t, wo er 1926 geboren wurde und an der Friedrichs­traße aufwuchs, war weitaus profaner, unter dem Strich aber ein Glücksfall, wie Saarbourg sagt. Er erhielt den Auftrag, die Personalwo­hnheime für das Lukaskrank­enhaus zu errichten und konnte mit dem Honorar seine Familie ein Jahr über Wasser halten. Das erste Wohnhaus, das ihm anvertraut wurde, gab Franz Reinhart bei ihm in Auftrag. Es entstand an der Langenbach­straße. Der schönste Entwurf seines Berufslebe­ns aber gelang Saarbourg nach eigener Überzeugun­g mit der Anfang 1966 eingeweiht­en evangelisc­hen Versöhnung­skirche an der Furtherhof­straße. Christoph Kleinau

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Der jämmerlich­e Zustand der im Zweiten Weltkrieg zerstörten St.-sebastianu­s-kirche wurde 1950 von dem Architektu­rstudenten Otto Saarbourg auf Papier festgehalt­en. Er musste im Auftrag seiner Hochschule die Kirche vermessen.
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FOTO: M. KOENEMANN Otto Saarbourg wirkte seit 1953 als Architekt in Neuss.

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