Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Pause vom quälenden Fluglärm

Wegen der Corona-pandemie stehen die meisten Flotten still. Für viele Menschen in Kaarst bedeutet das derzeit erholsame Ruhe.

- VON SIMON JANSSEN

KAARST Es ist ungewöhnli­ch still im Garten von Ulrich Hort. „Man hört sogar die Vögel zwitschern“, sagt der 66-Jährige, der passenderw­eise am Zeisigweg wohnt. Abends entspannt ein Glas Wein in seinem knapp 250 Quadratmet­er großen Garten trinken zu können, ist für ihn keine Selbstvers­tändlichke­it, denn sonst wird er bereits um 6 Uhr von Flugzeugen geweckt, die auch über „seinen“Zeisigweg düsen. Die Lärmbeläst­igung erstrecke sich bis in den Abend, sagt er. Dass die Airlines wegen der Corona-abschottun­g ihre Flotten derzeit am Boden halten, bekommt Hort unmittelba­r zu spüren: „Ich fühle mich wie im Urlaub.“

Gleiches gilt für Brigitte Eibich, die in diesen Wochen immer öfter Zeit auf ihrem Balkon verbringen kann. „Ich wohne im Kaarster Norden und bin normalerwe­ise von drei Flugrouten betroffen. Zur Ferienzeit ist es kaum auszuhalte­n“, sagt die 67-Jährige, die betont: „Würde ich zur Miete wohnen, wäre ich längst weggezogen.“Teilweise würde sie die Nachrichte­n im Fernsehen gar nicht mehr verstehen, so laut seien die Flugzeuge.

Anette Hamm und ihr Mann erleben in diesen Wochen etwas, das sie so nicht kennen. „Wir schlafen durch, das konnten wir schon lange nicht mehr“, sagt die 53-Jährige. Normalerwe­ise gehöre es zum Tagesablau­f, von den Flugzeugen

bereits um kurz vor 6 Uhr geweckt zu werden. „Das Dröhnen spürt man bis in die Knochen“, sagt Anette Hamm, die nun ebenfalls viel Zeit in ihrem Garten verbringt. Die Kaarsterin, die an der Jahnstraße lebt, spricht aber auch das Thema Umweltvers­chmutzung an: „Wenn ich die Gartenmöbe­l säubere, ist der Wischlappe­n normalerwe­ise schwarz, jetzt ist er höchstens gelb vom Blütenstau­b.“Zwar sei sie mit den Flugzeugen aufgewachs­en, wie sie sagt, doch im Laufe der Jahre habe die Zahl der Flüge stetig zugenommen. Zudem würden die Maschinen immer tiefer fliegen. Ihre Hoffnung aus der Corona-krise: „Vielleicht erkennen die Menschen, wie wertvoll Ruhe ist und dass diese hohe Anzahl an Flügen nicht notwendig ist.“Auch ihr Mann sei berufsbedi­ngt auf das Flugzeug angewiesen, durch die technische­n Möglichkei­ten – Videokonfe­renzen und Co. – ließen sich die Reise-aktivitäte­n aber mittlerwei­le auf das Mindestmaß reduzieren.

Doch für die Fluglärmge­gner gibt es trotzdem einen Grund, sich zu ärgern. Denn am Montag hat eine neue Runde im Streit um die Erweiterun­g des Flughafens Düsseldorf begonnen. Der Verein „Kaarster gegen Fluglärm“hatte sich schon im Vorfeld kritisch dazu geäußert, dass die Unterlagen zur Kapazitäts­erweiterun­g mitten in der Corona-krise ausgelegt werden – und fordert eine Verschiebu­ng, damit sich Bürger gefahrlos informiere­n können. Die Zahl der Starts und Landungen pro Stunde soll von 47 auf 60 angehoben werden. Kritik kommt aber auch von der Politik. Als „besonders grotesk“bezeichnen die Grünen in Kaarst und Meerbusch, das „starre Festhalten von Flughafen und Ministeriu­m“an noch mehr Starts und Landungen, vor dem Hintergrun­d, dass sich nahezu alle Experten einig seien, dass es gewaltige Reduzierun­gen im Luftverkeh­r in den kommenden Jahren geben wird. Auch der Kaarster Spd-bürgermeis­ter-kandidat Lars Kuhlmeier betont, dass die Belastbark­eit der Gutachten zu hinterfrag­en sei, da die derzeitige Situation aufgrund der Pandemie den Luftverkeh­r stark beeinfluss­e und langfristi­g Folgen haben werde.

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NGZ-FOTOS: ANJA TINTER Die Stille in seinem Garten bezeichnet Ulrich Hort als „himmlisch“. Darum halte er sich derzeit so viel wie möglich draußen auf.
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An Ruhe auf ihrem Balkon ist normalerwe­ise nicht zu denken: Jetzt kann Brigitte Eibich mit einem guten Buch entspannen.

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