Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Stadt und Industrie – technologisch vernetzt
Die Stadt Dormagen und der Chempark treiben das bundesweit einzigartige Projekt „Smart Industrial City“voran. INFO
DORMAGEN Vom Verkehrsleitsystem und autonomen Bussen über digitale Überprüfung von Kanälen und Auswertung von Daten aus dem All: Digitale Lösungen sollen Stadt und Industrie gleichermaßen voranbringen. In einer bislang in Deutschland einzigartigen Kooperation von öffentlicher Verwaltung und Industrie treiben Stadtkonzern und Chempark auch in der Corona-krise gemeinsam das Projekt „Smart Industrial City“voran. Keimzelle der Zusammenarbeit ist das 2017 gestartete „Chemlab“, wo die Idee, Technologie-startups und Unternehmen aus der Chemie zu vernetzen, in konkrete Projekte überführt wurde. Aktuell werden beispielsweise Lösungen für eine digitalisierte Einlasskontrolle für den Chempark erarbeitet.
Nun der nächste Schritt als erste Kommune im Land: „Wir wollen gemeinsam digitale Lösungen entwickeln für Aufgaben, die sowohl im Chempark als auch im öffentlichen Raum bewältigt werden müssen, und mit diesen Lösungen das öffentliche Leben für die Bürger angenehmer machen“, skizziert André Heryschek den konkreten Rahmen des Projekts. Er verantwortet bei der Stadtmarketingund Wirtschaftsförderungsgesellschaft Dormagen (SWD) das Thema Digitalisierung und erarbeitet als Ideengeber den Förderantrag für das vom Bundesinnenministerium
aufgelegte Programm „Smart Cities made in Germany“. Mit 750 Millionen Euro fördert der Bund Modellprojekte, die geeignet sind, „die Qualitäten der europäischen Stadt in das Zeitalter der Digitalisierung zu übertragen“, wie es in der Ausschreibung heißt. Ein praktisches Beispiel für die „Smart Industrial City“Dormagen könnten intelligente Ampelschaltungen und Lkw-leitsysteme sein, die die Belastung für alle Verkehrsteilnehmer reduzieren. Ein anderes kommt aus dem Bereich Infrastruktur: Wenn Kanäle mit Sensoren überwacht statt turnusmäßig überprüft werden, spart das Geld. Es werden Ressourcen frei, die sinnvoll an anderer Stelle eingesetzt werden können. „Digitale Lösungen können den Service und die Lebensqualität für Bürger erhöhen, den ökologischen Fußabdruck verringern sowie eine wichtige Antwort auf den drängenden Fachkräftemangel liefern“, ist Swd-geschäftsführer Michael Bison überzeugt. Die SWD treibt als städtische Tochter das Thema für den gesamten Stadtkonzern voran.
In zwei Workshops haben Führungskräfte des Stadtkonzerns, des
Rhein-kreises Neuss und der Currenta in den vergangenen Monaten Grundlagenarbeit geleistet. Nach Themen Mobilität und Infrastruktur ging es um die Anbindung von Projektideen an den sogenannten „Digitalen Zwilling“– eine datenbasierte Simulationsumgebung, in der Bau- und Infrastrukturmaßnahmen geplant und deren Auswirkungen simuliert werden können.
Auf der Zukunftsmesse „Digital Demo Day“Düsseldorf schaute sich die „Community“im Februar digitale Möglichkeiten aus der Nähe an. Die Currenta hatte den Besuch organisiert, Chemlab-manager Guido Doublet im Vorfeld Startups gefunden, deren Geschäftsmodelle Anknüpfungspunkte für die „Smart Industrial City“bieten. Exakt zwölf Minuten hatten die sechs ausgewählten Entwickler Zeit, um ihre Lösungen zu präsentieren – zum Beispiel für maschinelle Qualitätskontrollen, zur hackersicheren Datenspeicherung, für kameragesteuerte Reparaturen an Industrieanlagen oder zur Solarstromversorgung von Sensoren.
Stadtbus-geschäftsführer Klaus Schmitz brachte vom Digital Demo Day schon eine konkrete Zukunftsidee für den Busverkehr nach Dormagen mit: „Eine Kombination aus Sensoren, die über den Sitzen angebracht werden, könnte unsere Kunden über Handy- und Webapp in Echtzeit darüber informieren, wie stark die Busse gerade ausgelastet sind.“Dies könne gerade in Corona-zeiten bei der Entscheidung helfen, ob der Fahrgast den nächsten oder den übernächsten Bus nimmt. Grundsätzlich seien die Daten auch für die Stadtbus-verantwortlichen interessant, um zu bewerten, wo Linien verstärkt oder Taktungen ausgedünnt werden können. „Das Wissen nützt also auch der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens“, erklärt Schmitz. In Kooperation mit der SWD soll dieser Ansatz im Projekt weiter ausgearbeitet und umgesetzt werden. Die Kosten für einen Piloten schätzt die Gesellschaft auf ca. 75.000 Euro.
Am 20. Mai endet die Antragsfrist für die zweite Förderstaffel der „Smart Cities“. Bis dahin soll der Dormagener Antrag, an dem auch Experten der Uni Siegen mitarbeiten, eingereicht werden. Projektleiter Heryschek ist zuversichtlich, dass die Förderkulisse greift. Das einzigartige Dormagener Leuchtturmprojekt könne auch überregional als Vorbild für andere Städte dienen, ist er überzeugt.