Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Der Junge unter den Alten
Heinz Böckers ist 61 Jahre alt und lebt im Senioren-park carpe diem in Jüchen. Als jüngster Mann. Warum er dennoch glücklich ist.
JÜCHEN Bundeskanzlerin Angela Merkel wird im Juli 66 Jahre alt. Friedrich Merz, der den Cdu-vorsitz anstrebt, ist 64 Jahre alt. Heinz Böckers hat im März seinen 61. Geburtstag gefeiert. Merkel und Merz kümmern sich um die große Politik, Böckers lebt seit Dezember 2018 im Senioren-park carpe diem in Jüchen. Er ist dort der jüngste männliche Bewohner. Eine Rolle, an die er sich erst gewöhnen musste.
„Am Anfang dachte ich: Oh Gott, da hängst du hier mit den ganzen alten Leuten“, sagt Böckers. Seine Nachbarin beispielsweise sei 98 Jahre alt. Doch nach drei Monaten hatte er sich eingefunden. „Ich komme besser mit denen aus wie mit den Jüngeren“, sagt er. Bei Problemen würden tiefgreifendere Gespräche geführt. Die 30 Jahre seien ein Generationenunterschied. „Aber zum Positiven, nicht zum Negativen“, sagt Böckers. Die Geschmäcker seien halt manchmal etwas verschieden. „Die hören hier viel Heintje und sowas. Da musst du natürlich ein wenig kooperativ sein“, sagt er. „Das Einzige, was ich nicht mitmache, ist wenn sie ihre Volkslieder trällern.“
Dass Böckers mit seinen 61 Jahren bereits im Seniorenheim lebt, liegt an einem Unfall vor knapp fünf Jahren. Über seinem Bett will Böckers eine Lampe auswechseln. Er verliert den Halt, fällt auf die Schulter. Die Folgen sind schwerwiegend. Oberschenkelhalsbruch. Seine Schulter muss zehn Mal operiert werden. Im Krankenhaus wird zudem die Lungenkrankheit COPD festgestellt. „Ich kann laufen, aber ich weiß nie wie lange“, sagt Böckers. Also zog er aus seiner Wohnung in Willich-anrath in den Senioren-park carpe diem. „Niemals gehst du hier weg“, habe er gedacht. „Aber wenn es nicht mehr geht, dann geht es nicht mehr.“
In seinem vorherigen Leben hat Böckers als Maler und Lackierer gearbeitet. Bis zum Tag des Unfalls. 28 Jahre war er verheiratet. Seine Frau hatte Brustkrebs und habe in ihrer Reha einen anderen Mann kennengelernt. Zu ihr und seiner Tochter hat er keinen Kontakt mehr. Auch die Kumpels von früher besuchen ihn nicht. „Ich weiß auch gar nicht, ob die wissen wo ich bin“, sagt er. „Aber die hätten das schon herausgefunden.“Er habe sich stattdessen seinen Freundeskreis im Senioren-park aufgebaut. Mit Cliquenbildung wie in der Schule oder bei der Arbeit. „Das wiederholt sich immer wieder. Immer kommt das Gleiche zurück.“
Im Senioren-park ist Böckers beliebt. Er ist einer von fünf Mitgliedern im Heimbeirat. Bei der Wahl erhielt er die meisten Stimmen aller Kandidaten. Der Heimbeirat ist so etwas wie der Betriebsrat im Seniorenheim. Die Bewohner sprechen die Mitglieder an, wenn sie Probleme haben. „Wenn wir das selber regeln können, machen wir das“, sagt Böckers. Er werde dann auch gerne mal abends zur Fernsehreparatur gerufen. „Oder halt zum Knopf suchen.“Andere Dinge, wie Abrechnungsfragen, geben sie an die Heimleitung weiter.
Womit Böckers sonst seine Zeit verbringt, ist schon bei einem kurzen Blick in sein Zimmer ersichtlich. Überall Borussia. „Ich war Mittelstürmer in Anrath, da habe ich das erste Mal gegen Borussia gespielt. Noch mit Heynckes und le Fevre, die große Zeit. Und seitdem: Borussia, Borussia, Borussia. Immer zum alten Bökelberg gefahren, auf der Mauer gesessen, wunderbar“, sagt er.
Als Böckers ins Seniorenheim kam, haben alle ihm etwas von seiner Borussia mitgebracht. Trikot, Quietscheentchen, Schokolade.