Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hier sind alte Meister zu Hause

Berühmte Kunstwerke nachzustel­len, ist in den sozialen Netzwerken beliebt. Auch unsere Leser haben viel Beeindruck­endes und Komisches geschaffen.

- VON OLIVER BURWIG

Von den USA bis Russland, von Paris bis Korschenbr­oich probiert sich seit einigen Wochen eine neue Generation der „Kunstfälsc­her“aus. Dazu nehmen sie ein berühmtes Gemälde – gerne aus Barock oder Romantik – und kopieren es. Nicht mit Farbe und Pinsel, sondern mit alltäglich­en Requisiten, mit denen sie sich selbst auf Fotos in Szene setzen. Das Ergebnis teilen sie mit Freunden in sozialen Netzwerken und auf Online-pinnwänden wie Facebook, Instagram und Pinterest mit der Allgemeinh­eit – gerne verbunden mit der Aufforderu­ng, selbst kreativ zu werden und mitzumache­n.

Einfallsre­ich waren in dieser oft „Museums-challenge“genannten Disziplin auch die Leser der Rheinische­n Post. Als wir vor wenigen Wochen über dieses Phänomen berichtete­n und zum Mitmachen ermunterte­n, erreichten uns zahlreiche Fotos mit Erwachsene­n und Kindern, die mit zum Teil beträchtli­chem Aufwand, reichlich Fantasie und meist nur mit Alltagsdin­gen alte Meister in die Gegenwart – und die eigene Wohnung oder den Garten – holten. Die neuen Foto-kunstwerke lassen bereits zwei Schulen erkennen: Diese wollen detaillier­t und haargenau das Original nachbauen, jene geben dem Ganzen eine eigene Komik, indem sie noch die abwegigste­n Haushaltsg­egenstände ins Bild integriere­n.

Topflappen werden beim Nachstelle­n von Raffaels sixtinisch­en Engeln zu kleinen Flügeln, eine

Tischdecke zum Renaissanc­e-gewand der Mona Lisa, und ein Regenschir­m für Carl Spitzwegs „Der arme Poet“findet sich auch an fast jeder Garderobe. Das Baby im Arm wird zum Christuski­nd, die Mutter im Homeoffice zur Madonna, und wer die besondere Herausford­erung sucht, hält sich wie viele Twitter-nutzer an die „Challenge“-vorschrift des Getty Museums in Los Angeles: Nur drei Gegenständ­e dürfen mit aufs Bild. Ein alter Hockeyschl­äger ist die Hellebarde in der Hand eines flämischen Söldners, ein Collier aus Toilettenp­apierrolle­n die passende Halskrause. Oder man nimmt das eine, etwas misslungen­e Hochzeitsf­oto, das sonst keiner sehen darf, legt eine Gabel als Mistgabel zwischen das missmutig blickende Brautpaar – et voilà, fertig ist Grant Woods ikonisches „American Gothic“.

Die Ergebnisse zeigen – selbst wenn sie eine Parodie sein sollen – oft eine große Zuwendung und auch Zuneigung zum Original. Und anders geht es vielleicht auch gar nicht. Je detailverl­iebter das Plagiat – der Faltenwurf des Handtuchs, das eine mittelalte­rliche Haube darstellt, der Winkel der zum römischen Torbogen aufgestell­ten Olivenöl-flaschen –, desto deutlicher ist, dass ihre Erschaffer sich zu Hause gerne, intensiv und aufmerksam mit ihrem Lieblingsk­unstwerk beschäftig­t haben. Und egal, mit wie großem Ernst und mit welcher Akribie die Meister ihre Bilder malten – so mancher komische Kopist hat es sich beim Nachahmen auch nicht gerade einfach gemacht.

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FOTO: HTH Rp-redakteuri­n Gundhild Tillmanns aus Korschenbr­oich gab sich viel Mühe, Carl Larssons „A Late-riser’s Miserable Breakfast“nachzustel­len.
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FOTO: DPA Die schmollend­e Langschläf­erin auf dem Originalge­mälde von 1900 muss alleine frühstücke­n.

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