Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ende einer Besetzung
Die Polizei hat eines der bekanntesten linksextremistischen „Hausprojekte“in Berlin geräumt: das „Liebig 34“.
BERLIN Morgens um sieben in Friedrichshain. Im Kiez hat sich etwas zusammengebraut. Farbbeutel haben Geschäfte und Parteibüros getroffen, ein Mercedes wurde in Brand gesteckt, Müllcontainer sind für „Aktionen“vorbereitet. Aus dem gesamten Bundesgebiet sind Polizei-hundertschaften nach Berlin gefahren worden. An diesem Freitag ist „Tag X“, wie es auf einem Transparent vor der Liebigstraße 34 steht. „Liebig 34“wird nun geräumt.
Seit Wochen haben die Bewohnerinnen des „anarcha-queerfeministischen Hausprojektes“die Verbarrikadierung perfektioniert. Draußen übernehmen Gesinnungsgenossen die Mobilisierung der Straße. In den Nachbarstraßen entwickeln sich erste Auseinandersetzungen. Dick Vermummte im Antifa-autonomen-outlook prügeln sich mit gut geschützten Polizisten. Immer wieder ist der Sprechchor zu hören: „Rigaer Straße, Liebig bleibt – one struggle, one fight.“Ums Reimen sind die Sympathisanten der Besetzerinnen nicht verlegen. „Bullen, verpisst euch – keiner vermisst euch“, rufen sie den Beamten
aus NRW zu. Oder die Ankündigung: „Jeder Stein, der abgerissen, wird von uns zurückgeschmissen.“Dazu rhythmisches Trommeln auf Kochtöpfen und Mülltonnen, lautes Kampfgeschrei.
Die Polizei hat inzwischen einen gepanzerten Wagen dicht ans Haus gefahren und ein Gestell in Stellung gebracht, um ins erste Stockwerk zu kommen. Ein Polizist schlägt eine Fensterscheibe ein, die Gitter davor halten der Flex nicht lange stand. Die Polizisten arbeiten sich parallel durch den Hauseingang im Erdgeschoss und die Wohnung im ersten Stock ins Innere. Über einen Leiterwagen werden die ersten Besetzerinnen auf die Straße geführt.
Es werden in den nächsten vier Stunden viele folgen. Am Ende hat die Polizei die Personalien von 57 Personen aufgenommen. Der Abgang jeder einzelnen wird von den Demonstranten mit Jubel und Beifall
begleitet. Die Räumung dauert. Vorsichtshalber hat die Polizei den Strom abgestellt. Aber vor allem im Treppenhaus und an den einzelnen Zimmern sind wohl massive Hindernisse aus Stahl, Beton, Holz und Schutt installiert.
Stockwerk für Stockwerk nehmen sich die Beamten vor. Ihre Kollegen drängen an verschiedenen Seitenstraßen Ansammlungen Vermummter zurück. Ein Trupp Polizisten verfolgt eine Menge im Laufschritt. Eine Besetzung der vielbefahrenen Frankfurter Allee beenden die Einsatzkräfte nach wenigen Minuten. Doch der Stau ist gewaltig.
Das besetzte Haus ist am Mittag zwar „frei“. Sachverständige schauen sich aber erst einmal die Statik an, um die Frage zu beantworten, ob es dem Besitzer übergeben werden kann. Derweil stellen sich die Polizei-hundertschaften auf einen langen Tag und eine kurze Nacht ein.