Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Der erste Sonntag in der Stadtbibliothek
Die Stadtbibliothek hat ihre Öffnungszeiten erweitert. Auch am Sonntag öffnen nun die Pforten. Ein Besuch.
NEUSS Der Lockdown hatte auch die Stadtbibliothek schwer getroffen. Sie war von Mitte März bis Ende April sechs Wochen lang geschlossen. Seit Samstag gibt es, zunächst befristet auf sechs Monate, erweiterte Öffnungszeiten: Am Samstag ist die Bibliothek statt bis 14 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Und am Sonntag öffnete das „Medienparadies“erstmalig an einem Sonntag. Die Besucher, die kamen, wussten das zu schätzen. Ganz nebenbei kam auch heraus, dass die Nutzer eine sehr gute Meinung von „ihrer“Stadtbibliothek haben – auch wenn viele von ihnen gar nicht in Neuss wohnen.
Das Besondere an dem Angebot: Bibliotheksmitarbeiter sind während der erweiterten Öffnungszeiten nicht vor Ort. Für einen geordneten Ablauf sorgen drei Security-kräfte. Büchereileiterin Claudia Büchel war am Samstag ausnahmsweise
„Wir hoffen sehr, dass das Angebot auf Dauer bestehen bleibt“Peter Dudzik Stammkunde in der Stadtbibliothek
bis zum Schluss vor Ort und schaute am Sonntag mal kurz rein. Mit dem, was sie gesehen hat, konnte sie zufrieden sein: Es war ein Kommen und Gehen.
Udo Keller aus Kaarst war einer der Ersten, die am Sonntag um 13 Uhr die Stadtbibliothek betraten. Der 64 Jahre alte Kaarster bereitet sich langsam aber sicher auf seinen Ruhestand in anderthalb Jahren vor. Der Diplom-kaufmann wird seine „grauen Zellen“auch als Pensionär aktivieren. „Mich interessieren Fachbücher für Wirtschaftswissenschaften und Naturwissenschaften, das könnte zu einem Hobby werden“, erklärte der Telekom-mitarbeiter. „Ich komme hier regelmäßig hin“, sagte der 64-Jährige.
Immer wieder hörte man das Piepen des Scanners am Eingangsbereich. Auf einem Schild stand „Desinfektion statt Infektion“, und die Security-kräfte achteten darauf, dass diese Vorsichtsmaßnahmen auch angewandt wurden. Katrin Wehling kam aus Korschenbroich. „Es ist schön, hier einen Sonntagnachmittag verbringen zu können“, erklärte die 53-Jährige. Aber sie hatte auch gleich einen Verbesserungsvorschlag parat: „Die Sonntagszeitungen wie stehen leider nicht zur Verfügung.“Claudia Büchel hörte von der Kritik und gab folgendes zu verstehen: „Heute ist kein Service vor Ort, niemand, der die Zeitungen stempelt und tackert.“
Viele junge Familien nutzten das neue Angebot am Sonntag. Olga Cerepanov aus Derikum kam mit ihren Kindern Julia und Michael. „Ich finde es total super, dass jetzt auch sonntags geöffnet ist“, sagte die aus Kasachstan stammende Frau. „Das ist total entspannt hier“, fiel Tochter Julia auf. Und Sohn Michael hasst Shoppingtouren samstags – aber in die Bibliothek kam er gerne mit. „Ich habe am Anfang Kinderbücher gelesen, um die deutsche Sprache zu lernen“, verriet Olga Cerepanov.
Familie Dudzik hat früher im Ortsteil Grefrath gewohnt. Der Umzug nach Aldenhoven war für sie kein Grund, nicht mehr zur Stadtbibliothek im Herzen von Neuss zu kommen. „Wir sind Stammkunden hier“, erklärt Peter Dudzik. Seine Ehefrau Tanja hatte schnell Vorlese-lektüre für den dreijährigen Bastian gefunden. Sie arbeitet als Altenpflegerin, er ist im Haus der Lebenshilfe in Aldenhoven beschäftigt. Das, was die Neusser Stadtbibilothek zu bieten hat, verschafft ihnen einen willkommene Abwechslung und Entspannung vom Arbeitsalltag. Dabei nutzten sie eine große Bandbreite der Angebote: „Hier gibt es tolle Spielfilme und auch die Musikecke ist sehr gut bestückt, sogar mit Jazz und Blues – hier besteht die Möglichkeit, Wunschzettel auszufüllen. Wenn es das entsprechende Medium gibt, wird man per SMS benachrichtigt“, lobt Peter Dudzik. Die Familie Dudzik liest viel und verreist gerne: „Hier gibt es auch sehr viele Reiseführer“, sagt der Familienvater, der ebenso wie seine Frau im Schichtdienst arbeitet. Die neuen, erweiterten Öffnungszeiten kommen ihnen sehr gelegen. „Wir hoffen sehr, dass das Angebot auf Dauer bestehen bleibt“, gab Peter Dudzik zu verstehen.
Nicht alle wurden durch das große Medienangebot angelockt: Im Leseraum saß eine junge Frau. Sie genoss die Ruhe zum Lesen, die sie zu Hause nicht hat. Claudia Büchel ist glücklich, dass der entsprechende Ratsbeschluss aus dem Jahr 2019 jetzt endlich hat umgesetzt werden können. „Wenn nicht Corona gewesen wäre, hätten wir schon viel früher samstags länger geöffnet.“