Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Logistik tut sich schwer mit Klimaschutz
Der Güterverkehr muss weniger CO2 austoßen. Doch der Branche fehlen Ideen. Helfen kann ein Kongress.
BERLIN (mar) Zwei Zahlen machen deutlich, wie stark die Güterverkehrsbranche beim Klimaschutz ins Hintertreffen geraten ist: Während die Co2-emissionen im deutschen Pkw-verkehr seit 1990 um immerhin rund 15 Prozent reduziert werden konnten, schnellten die Emissionen im Lkw-verkehr um 44 Prozent hoch. Vor diesem Hintergrund sieht sich die Logistikbranche wachsendem Druck ausgesetzt, endlich eine Trendumkehr herbeizuführen. Von diesem Mittwoch an trifft sie sich virtuell beim Deutschen Logistik-kongress, der kurzfristig ins Netz verlagert wurde. Doch den Branchenexperten fehlt bisher die zündende Idee – wirksame Rezepte für mehr Klimaschutz gibt es bisher kaum. Krisenbedingt werden die Co2-emissionen im laufenden Corona-jahr zwar sinken, doch das ist alles andere als nachhaltig.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind denn auch herausragende Themen des diesjährigen, dreitätigen Deutschen Logistik-kongresses in Berlin, der unter dem Motto „Nachhaltig gestalten – Winning the Next Decade“steht. Mehr als 1000
Teilnehmer haben ihre Anreise ins Corona-risikogebiet Berlin aus Gründen des Gesundheitsschutzes wieder absagen müssen. Die Bundesvereinigung Logistik hat die angemieteten Räume in zwei Berliner Hotels nun in Internet-studiobühnen umgewandelt. Zu den Referenten gehören Karl Gernandt, Chef der Hamburger Kühne-holding, Db-cargo-chefin Sigrid Nikutta, Hildegard Müller, Präsidentin
des Automobilverbandes VDA, Grünen-chef Robert Habeck und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). „In meinen Gesprächen mit Industrie und Logistik stelle ich immer häufiger den Wunsch nach umwelt- und klimagerechten Transporten fest“, sagte Grünen-fraktionschef Anton Hofreiter. „Jetzt muss das Bundesverkehrsministerium die Weichen mutig und mit Weitblick stellen“, forderte er.
Eine klimafreundliche Logistik gelinge nur mit einer deutlichen Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene. „Zum Beispiel indem Gleisanschlüsse für Unternehmen stärker gefördert werden“, sagte Hofreiter. Damit sich Lkw mit alternativen Antrieben für die Transportunternehmen besser rechneten, „muss sich die Lkw-maut endlich nach dem Co2-ausstoß der Fahrzeuge richten“, forderte Hofreiter.
Das Problem der Logistik steckt in Detail: „Es gibt einfach nicht den großen Wurf, eine große Lösung für mehr Klimaschutz im Güterverkehr“, sagte Thomas Puls, Verkehrsexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Der Umstieg auf synthetische Kraftstoffe koste viel Zeit und sei teuer, Elektro-lkw gebe es zu wenige, zudem fehle die Versorgungsinfrastruktur dafür. „Wir können uns in der kurzen Frist nur auf viele kleine Lösungen konzentrieren: die Auslastung der Lkw, Züge und Schiffe durch bessere Vernetzung steigern, die Fahrer besser trainieren, die Trassenpreise für die Güterzüge noch mal senken“, sagte Puls.