Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Härtere Strafen allein reichen nicht
Sexuelle Gewalttaten gegen Kinder sind ein Verbrechen. Darüber gibt es keinen Zweifel. Dass Aktivitäten in Chatrooms und die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte teils noch als Vergehen eingestuft wurden, ist unhaltbar. Hier schafft der neue Gesetzentwurf von Justizministerin Christine Lambrecht Klarheit. Auch das höhere Strafmaß von maximal 15 statt zehn Jahren bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder ist gerechtfertigt.
Umgekehrt darf es aber nicht bei jedem neuen Fall einen Wettlauf um noch härtere Strafen geben. Die jüngeren Fälle Lügde, Bergisch Gladbach und Münster zeigen, dass Behörden und Privatpersonen nicht genau hingeschaut haben. Es ist unangenehm und belastend, in diesen Sumpf einzutauchen. Trotzdem dürfen alle Verantwortlichen, Privatpersonen eingeschlossen, die Augen nicht verschließen.
Man sollte in jedem Fall mehr Energie darauf verwenden, Schutzkonzepte für Kitas und Schulen, aber auch für Vereine, kirchliche Einrichtungen sowie Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe zu entwickeln. Immer nur höhere Strafen zu fordern, ist einfacher, als etwa die Sozial- und Jugendbehörden so aufzustellen, dass verdächtige Handlungen in einem Frühwarnsystem registriert und geahndet werden. Wer diese Verbrechen wirklich bekämpfen will, darf sich nicht auf die abschreckende Wirkung des Strafrechts verlassen. Auch viele Täter lassen sich davon nicht abschrecken.
Und trotz der Abscheulichkeit ihrer Verbrechen verdienen auch die Täter unsere Beachtung. Warum handeln sie so? Gibt es Aussicht auf eine Änderung? Strafe muss sein, sie sollte aber auch Eingeständnis des Scheiterns aller Vorbeugung sein. Für den Staat, seine Bürgerinnen und Bürger muss ein solcher Kampf gegen Kindesmissbrauch eine Aufgabe ersten Ranges sein – damit unsere Kinder wirksam geschützt sind. BERICHT HÄRTERE STRAFEN FÜR MISSBRAUCHSTÄTER, TITELSEITE