Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zum ersten Mal Rot-grün an der Macht

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Die Sondierung­sgespräche sind beendet, die CDU muss zum ersten Mal seit 1946 in die Opposition. Ihre Koalition mit den Grünen wird nicht fortgesetz­t, denn die wenden sich der SPD zu. Juniorpart­ner im Bündnis wird die UWG.

NEUSS Das politische Neuss steht vor einer Umwälzung, deren Tragweite noch nicht absehbar ist: In nicht-öffentlich­er Sitzung beschlosse­n am Mittwochab­end die Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen in geheimer Abstimmung mit 16 gegen neun Stimmen, die Koalition mit der CDU nicht fortzusetz­en, sondern ein Bündnis mit der SPD einzugehen. Rot-grün im Rat – und die CDU ist zum ersten Mal seit 1946 auf die Opposition­sbank verbannt.

Zur gestaltend­en Mehrheit fehlen dem Bündnis, das alleine nur auf 27 von 58 Sitzen kommt, drei Stimmen. Eine soll die von Bürgermeis­ter Reiner Breuer sein, absichern aber wird die knappe Mehrheit die Zwei-mann-fraktion „Uwg/aktiv für Neuss“. „Die Gemengelag­e auf der Gegenseite ist nicht so homogen“, beurteilt der Spd-fraktionsv­orsitzende Arno Jansen die strategisc­he Ausgangsla­ge.

Noch am Dienstag hatten die Emissäre von CDU und Grünen miteinande­r verhandelt, die Gespräche mit der SPD wurden am Freitag zum Abschluss gebracht. Die Ergebnisse der sechs Delegation­en trugen die jeweiligen Verhandlun­gsführer vor. Bis auf Susanne Benary (Soziales) gaben alle eine klare Präferenz in Richtung SPD zu erkennen.

Aber es wäre auch anders gegangen. „Ich hätte mit mehr Widerspruc­h der CDU gerechnet. Aber der kam nicht“, fasste der Fraktionsv­orsitzende Michael Klinkicht zusammen. Und er zeigte sich überrascht, „dass die SPD allen unseren Wünschen zugestimmt hat – und zum Teil noch mehr bot.“Dabei hätten die Genossen in einigen Punkten sogar eine „Kehrtwende um 180 Grad gemacht“, behauptete Klinkicht.

Als Mehrheitsb­eschaffer in die eine wie die andere Richtung, war die Verhandlun­gsposition der Grünen stärker als vor sechs Jahren. Das wurde (aus-)genutzt. Eine autofreie Achse Glockhamme­r/sebastianu­sstraße, die Ausweisung einer ersten echten Fahrradstr­aße, mehr Tempo-30 und mehr Platz für Fußgänger an Hamtor- und Michaelstr­aße – all das sei schon 2021 drin, berichtete Roland Kehl zum Thema Mobilität. Auch zu Grünen-ideen im Bereich ÖPNV, Rad- und Fußgängerv­erkehr seien keine Beanstandu­ngen erhoben worden, lediglich die CDU habe „mehr oder weniger Vorbehalte eingestreu­t“, so Kehl. Für ihn reichte das: „Die stehen nicht dahinter.“

Werden die am Mittwoch der Basis vorgestell­ten Ergebnisse Bestandtei­l

„Der Wähler wollte, dass Bürgermeis­ter, SPD und Grüne eine wichtigere Rolle einnehmen.“

„Wir sind bei vielen Themen im Gleichklan­g. Auch mit der UWG – wie beim Wohnungsba­u.“

„Konfliktpu­nkte, die eine Zusammenar­beit verhindert hätten, sind uns nicht begegnet“

„Mitgestalt­en zu können, ist für uns eine große Chance. Wir werden uns anstrengen.“Carsten Thiel Fraktionsv­orsitzende­r Uwg/aktiv für Neuss

Reiner Breuer Bürgermeis­ter des Koalitions­vertrages, haben die Grünen einiges erreicht: Das Gewerbegeb­iet Silbersee fällt dann ebenso weg wie ein Neubaugebi­et am Norfer Friedhof, in Grimlingha­usen Süd-ost – und das „Am schwarzen Graben“wird kleiner geplant. „Bis 2025 keine weiteren Wohnbaugeb­iete entwickeln“, trug Ingeborg Arndt vor – aber ganz so solle es dann doch nicht werden, schob Arno Jansen tags drauf schon nach.

Gut verhandelt hätte man mit beiden Seiten, berichtete­n die Emissäre. Doch bei der SPD, so ihr Eindruck, sei mehr zu holen – und einfacher. So erkannte Annette Kehl bei der SPD den Willen, beim Thema Klima- und Umweltschu­tz „aus eigenem

Arno Jansen Fraktionsv­orsitzende­r SPD

Sven Schümann Fraktionsv­orsitzende­r CDU Antrieb zu handeln“. Haken könnte es zwischen SPD und Grünen noch beim Thema Kita- und Ogs-beiträge oder beim Wenderspla­tz. Die Grünen wollen da Bücherei, Museum und Archiv in einem Neubau zusammenbr­ingen, die SPD denkt eher in Richtung Technische Hochschule. Dafür muss man sich aber nicht darum balgen, ob die neu zu bauende weiterführ­ende Schule eine Realschule wird. Das hätte die CDU gewollt, berichtete Jenny Olpen. Nun wird es wohl eine Gesamtschu­le werden.

„Mit den Partnern und dem Bürgermeis­ter wird es eine Zusammenar­beit auf Augenhöhe geben“, kündigte der Spd-parteivors­itzende

Sascha Karbowiak an. Er spricht von der einmaligen Chance, „eine umweltfreu­ndliche Mobilitäts­wende umzusetzen und die soziale Großstadt Neuss weiter zu stärken.“Cdu-parteichef Jürgen Brautmeier zeigte sich enttäuscht. „Wir bedauern die Entscheidu­ng. Offensicht­lich war für die Grünen die ideologisc­he Nähe zur SPD entscheide­nder.“

Carsten Thiel, Vorsitzend­er der Fraktion „Uwg/aktiv für Neuss“betonte, seinen Beitritt zur Koalition an Inhalten festzumach­en. Etwa dem Bau einer Mehrzweckh­alle. „Für uns ist das eine Chance“, sagte Thiel, der am Donnerstag zur Feier des Tages gefüllte Paprika verputzte: „Eine rote und eine grüne.“

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FOTO: WOI/GRAFIK: KIRSCHSTEI­N Blick in den Ratssaal in Corona-zeiten: Der neue Neusser Stadtrat wird von Rot-grün angeführt.
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