Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Zum ersten Mal Rot-grün an der Macht
Die Sondierungsgespräche sind beendet, die CDU muss zum ersten Mal seit 1946 in die Opposition. Ihre Koalition mit den Grünen wird nicht fortgesetzt, denn die wenden sich der SPD zu. Juniorpartner im Bündnis wird die UWG.
NEUSS Das politische Neuss steht vor einer Umwälzung, deren Tragweite noch nicht absehbar ist: In nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen am Mittwochabend die Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen in geheimer Abstimmung mit 16 gegen neun Stimmen, die Koalition mit der CDU nicht fortzusetzen, sondern ein Bündnis mit der SPD einzugehen. Rot-grün im Rat – und die CDU ist zum ersten Mal seit 1946 auf die Oppositionsbank verbannt.
Zur gestaltenden Mehrheit fehlen dem Bündnis, das alleine nur auf 27 von 58 Sitzen kommt, drei Stimmen. Eine soll die von Bürgermeister Reiner Breuer sein, absichern aber wird die knappe Mehrheit die Zwei-mann-fraktion „Uwg/aktiv für Neuss“. „Die Gemengelage auf der Gegenseite ist nicht so homogen“, beurteilt der Spd-fraktionsvorsitzende Arno Jansen die strategische Ausgangslage.
Noch am Dienstag hatten die Emissäre von CDU und Grünen miteinander verhandelt, die Gespräche mit der SPD wurden am Freitag zum Abschluss gebracht. Die Ergebnisse der sechs Delegationen trugen die jeweiligen Verhandlungsführer vor. Bis auf Susanne Benary (Soziales) gaben alle eine klare Präferenz in Richtung SPD zu erkennen.
Aber es wäre auch anders gegangen. „Ich hätte mit mehr Widerspruch der CDU gerechnet. Aber der kam nicht“, fasste der Fraktionsvorsitzende Michael Klinkicht zusammen. Und er zeigte sich überrascht, „dass die SPD allen unseren Wünschen zugestimmt hat – und zum Teil noch mehr bot.“Dabei hätten die Genossen in einigen Punkten sogar eine „Kehrtwende um 180 Grad gemacht“, behauptete Klinkicht.
Als Mehrheitsbeschaffer in die eine wie die andere Richtung, war die Verhandlungsposition der Grünen stärker als vor sechs Jahren. Das wurde (aus-)genutzt. Eine autofreie Achse Glockhammer/sebastianusstraße, die Ausweisung einer ersten echten Fahrradstraße, mehr Tempo-30 und mehr Platz für Fußgänger an Hamtor- und Michaelstraße – all das sei schon 2021 drin, berichtete Roland Kehl zum Thema Mobilität. Auch zu Grünen-ideen im Bereich ÖPNV, Rad- und Fußgängerverkehr seien keine Beanstandungen erhoben worden, lediglich die CDU habe „mehr oder weniger Vorbehalte eingestreut“, so Kehl. Für ihn reichte das: „Die stehen nicht dahinter.“
Werden die am Mittwoch der Basis vorgestellten Ergebnisse Bestandteil
„Der Wähler wollte, dass Bürgermeister, SPD und Grüne eine wichtigere Rolle einnehmen.“
„Wir sind bei vielen Themen im Gleichklang. Auch mit der UWG – wie beim Wohnungsbau.“
„Konfliktpunkte, die eine Zusammenarbeit verhindert hätten, sind uns nicht begegnet“
„Mitgestalten zu können, ist für uns eine große Chance. Wir werden uns anstrengen.“Carsten Thiel Fraktionsvorsitzender Uwg/aktiv für Neuss
Reiner Breuer Bürgermeister des Koalitionsvertrages, haben die Grünen einiges erreicht: Das Gewerbegebiet Silbersee fällt dann ebenso weg wie ein Neubaugebiet am Norfer Friedhof, in Grimlinghausen Süd-ost – und das „Am schwarzen Graben“wird kleiner geplant. „Bis 2025 keine weiteren Wohnbaugebiete entwickeln“, trug Ingeborg Arndt vor – aber ganz so solle es dann doch nicht werden, schob Arno Jansen tags drauf schon nach.
Gut verhandelt hätte man mit beiden Seiten, berichteten die Emissäre. Doch bei der SPD, so ihr Eindruck, sei mehr zu holen – und einfacher. So erkannte Annette Kehl bei der SPD den Willen, beim Thema Klima- und Umweltschutz „aus eigenem
Arno Jansen Fraktionsvorsitzender SPD
Sven Schümann Fraktionsvorsitzender CDU Antrieb zu handeln“. Haken könnte es zwischen SPD und Grünen noch beim Thema Kita- und Ogs-beiträge oder beim Wendersplatz. Die Grünen wollen da Bücherei, Museum und Archiv in einem Neubau zusammenbringen, die SPD denkt eher in Richtung Technische Hochschule. Dafür muss man sich aber nicht darum balgen, ob die neu zu bauende weiterführende Schule eine Realschule wird. Das hätte die CDU gewollt, berichtete Jenny Olpen. Nun wird es wohl eine Gesamtschule werden.
„Mit den Partnern und dem Bürgermeister wird es eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe geben“, kündigte der Spd-parteivorsitzende
Sascha Karbowiak an. Er spricht von der einmaligen Chance, „eine umweltfreundliche Mobilitätswende umzusetzen und die soziale Großstadt Neuss weiter zu stärken.“Cdu-parteichef Jürgen Brautmeier zeigte sich enttäuscht. „Wir bedauern die Entscheidung. Offensichtlich war für die Grünen die ideologische Nähe zur SPD entscheidender.“
Carsten Thiel, Vorsitzender der Fraktion „Uwg/aktiv für Neuss“betonte, seinen Beitritt zur Koalition an Inhalten festzumachen. Etwa dem Bau einer Mehrzweckhalle. „Für uns ist das eine Chance“, sagte Thiel, der am Donnerstag zur Feier des Tages gefüllte Paprika verputzte: „Eine rote und eine grüne.“