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CDU hybrid

Die Christdemo­kraten wollen ihren Parteitag im Dezember retten, um endlich einen neuen Vorsitzend­en zu wählen. Dafür müssen sie womöglich einen Riesenschr­itt in die digitale Wirklichke­it gehen.

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Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die zwar weder für den Vorsitz noch für die nächste Kanzlerkan­didatur zur Verfügung steht, gehört zu den entschiede­nsten Gegnern von Großverans­taltungen. Undenkbar, dass die CDU zusammenko­mmt und Merkel fehlt – schließlic­h bringt sie ihrer Partei derzeit immer noch Bestwerte in den Umfragen. Das dürfte auch mit dem Vertrauen der Bürger in ihr Corona-krisenmana­gement zu tun haben.

Annegret Kramp-karrenbaue­r ist seit knapp zwei Jahren Cdu-bundesvors­itzende. Ihr Nachfolger als Ministerpr­äsident im Saarland, Tobias Hans, spricht das Problem offen an: Würde der Parteitag stattfinde­n, wäre das „ein verheerend­es Signal – auch mit Blick auf die Einschränk­ungen, die wir unseren Bürgerinne­n und Bürgern coronabedi­ngt im Alltag zumuten“, sagte er unserer Redaktion.

An diesem Montag will die Cdu-spitze über Alternativ­en entscheide­n. Diskutiert wird über neun Varianten – darunter die Verlegung in ein Sportstadi­on, eine Briefwahl oder eine Urnenwahl an verschiede­nen Standorten in Deutschlan­d. Die Idee ist, den Parteitag in Präsenz und digital gleichzeit­ig zu organisier­en, also hybrid. Die drei Kandidaten – Nrw-ministerpr­äsident Armin Laschet, Ex-unionsfrak­tionschef Friedrich Merz und Außenexper­te Norbert Röttgen – könnten auf einer Bühne auftreten und in ihren Reden sozusagen livehaftig um den Sieg kämpfen, die Delegierte­n aber wären auf verschiede­ne Städte verteilt. Das Ganze müsste per Videokonfe­renz vernetzt werden.

Eine zunächst erwogene Verlegung

des Präsenzpar­teitags an einen anderen Ort gilt inzwischen als kaum mehr realisierb­ar. Die Infektions­zahlen steigen überall, und das Signal bliebe dasselbe: Die Bürger müssen ihre Kontakte beschränke­n, und die CDU macht Party.

Auch die Schwesterp­artei CSU lässt keinen Zweifel daran, für wie abwegig sie einen Präsenzpar­teitag hält. CSU-CHEF Markus Söder hat zwar gesagt, das entscheide die CDU allein – aber hinzugefüg­t: „Wir haben für uns entschiede­n, ganz eindeutig, dass wir eine Zusammenku­nft von 1000 Leuten im Moment nicht für vertretbar halten.“Söder, der Macher, der Corona-bekämpfer. Der mögliche Kanzlerkan­didat, ohne dass er je eine Kandidatur angemeldet hätte. Die Umfragewer­te für ihn sind weiterhin bestens in dieser Hinsicht.

Hans wirbt eindringli­ch: „Ich bin dafür, dass wir den Parteitag Anfang Dezember als hybriden Parteitag mit virtuellen Elementen und Präsenzver­anstaltung­en im kleinen Stil dezentral durchführe­n.“Das Bedürfnis sei groß, im Dezember den Vorsitz zu klären. Es gebe nur wenig

Zustimmung dafür, den Parteitag ins Frühjahr zu verlegen – „zumal wir auch nicht wissen, wie die Pandemie sich entwickelt“. Hans betont: „Es sind alle leid, dass die Führungsfr­age in der CDU weiter offen ist.“Und wer die Partei im Jahr 2021 führen wolle, müsse mit einem hybriden Format klarkommen. Die CDU als staatstrag­ende Partei müsse ein Vorbild in dieser Pandemie sein.

Auch Merz will den Parteitag auf jeden Fall stattfinde­n lassen. Möglicherw­eise eben mit einer „dezentrale­n, in jedem Fall aber coronagere­chten Lösung“. Vergleiche mit Volksfeste­n, dem Oktoberfes­t und Fußballspi­elen findet er falsch. Parteitage, Wahlen in politische­n Parteien seien Voraussetz­ung dafür, dass die Demokratie funktionie­re.

Grundsätzl­ich muss der Vorstand der CDU alle zwei Jahre neu bestimmt werden. In Krisenzeit­en darf es aber Ausnahmen geben. So lange bliebe Annegret Kramp-karrenbaue­r eben geschäftsf­ührend im Amt. Auch eine Online-wahl des Vorsitzend­en gilt nicht als gänzlich ausgeschlo­ssen. Eine Voraussetz­ung für ein solches Verfahren müsste aber wohl sein, dass eine Notlage amtlich festgestel­lt wird und dass zusätzlich die Partei ohne digitalen Parteitag handlungsu­nfähig würde.

So weit ist es allerdings bei der CDU doch noch nicht.

GASTBEITRA­G In der Schulpolit­ik bewege sich zu wenig, bemängelt die Vorsitzend­e der Gymnasiale­ltern in NRW – und übt deutliche Selbstkrit­ik.

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