Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Der Haushalt wird mehr eine Prognose“
Korschenbroichs Bürgermeister über Mehrheiten, Stadtplanung und die Auswirkungen der Corona-pandemie.
Sie sind am 13. September erneut zum Bürgermeister gewählt worden und starten in Ihre zweite Amtszeit. Inwiefern ist das Gefühl anders als vor fünf Jahren? Marc Venten Vor fünf Jahren bin ich hier in eine neue Welt gekommen. Ich war vorher nicht in der Verwaltung tätig, sondern als Anwalt. Jetzt ist mir das Umfeld natürlich vertraut, und ich bleibe einfach da, wo ich vorher auch gewesen bin und kann im Grunde nahtlos weitermachen.
Verbreitet es trotzdem Aufbruchstimmung, noch einmal gewählt worden zu sein? Venten Ein gutes Wahlergebnis beflügelt natürlich immer. Aber die ganzen Maßnahmen, die wir in den letzten Jahren angestoßen haben, gehen ja über 2020 hinaus. Daher habe ich schon immer weiter gedacht, und es gibt hierdurch jetzt keinen scharfen Bruch und Neuanfang. Natürlich habe ich mir Ziele gesetzt, die ich in der neuen Wahlperiode umsetzen möchte. Allerdings fange ich wie vor fünf Jahren mit einer Krisensituation an. Damals war es die Flüchtlingskrise, und die heutige Situation hat vor einem dreiviertel Jahr auch niemand voraussehen können. Es entwickelt sich dann doch vieles anders als geplant.
Gibt es denn Dinge, die jetzt unabhängig von Corona relativ schnell für Korschenbroich angegangen werden müssen? Venten Es gibt natürlich viele Ideen. Man muss berücksichtigen, dass es in der Vergangenheit oft am Geld gescheitert ist. Um da ein anderes Fundament zu bekommen, müssen wir mehr Gewerbesteuer einnehmen. Da liegen wir unter dem Durchschnitt. Das Ziel muss sein, dass wir strukturell in der Lage sind, ohne Einmaleffekte unseren Haushalt auszugleichen. Ich bin der Überzeugung, dass wir das schaffen können, aber dazu müssen wir zusätzliche Gewerbeflächen entwickeln. Da sind dicke Bretter zu bohren.
Jetzt wird bald über den Haushalt für 2021 geredet. Ist die Planung durch die Corona-pandemie in diesem Jahr doppelt schwierig? Venten Es ist extrem schwierig. In diesem Jahr besteht die Möglichkeit, die durch die Corona-pandemie verursachten Mehrkosten zu isolieren. Das ist haushalterisch erst einmal eine Erleichterung, weil man diese Ausgaben nicht direkt finanzieren muss. Aber die Grundlagen wie Steuerschätzungen liegen noch nicht so vor wie in den Vorjahren. Es ist noch viel mehr eine Prognose. Man kann wenig belastbar vorhersagen.
Aktuell ist noch unklar, wer im neuen Rat die Mehrheit stellt. Erschwert das auch Ihre Arbeit? Venten Wir haben in Korschenbroich relativ stabile Verhältnisse. Wir werden den Haushalt erst in der zweiten Ratssitzung einbringen. Bis dahin wird auch klar sein, wer die Mehrheit stellt.
Wie wichtig ist es für Sie, dass die Ratsmehrheit zu dem passt, was Sie vorhaben? Venten Wenn man sich Ziele setzt, ist natürlich auch wichtig, dass man sie umsetzen kann. Wenn man nur auf Widerstand trifft, macht das Arbeiten keinen Spaß. Das bin ich aber zum Glück auch nicht anders gewohnt. Bislang hat die Zusammenarbeit von Rat und Verwaltung immer sehr gut funktioniert. Das betrifft aber auch alle, nicht nur die Mehrheitsfraktionen.
Nun sieht es aktuell sehr nach einer Mehrheit aus CDU und SPD aus. Ich nehme an, damit könnten Sie gut leben? Venten Ja. Es kommt vor Ort auch immer auf die handelnden Personen
an. Die Kooperation gibt es jetzt schon seit elf Jahren und das hat in der Vergangenheit sehr gut funktioniert, weil man sich auf die handelnden Personen verlassen konnte. Es gibt eigentlich keinen Grund die Pferde zu wechseln.
Sind Sie ein wenig froh, dass ein Experiment mit den Grünen dann an Ihnen vorübergeht? Venten Etwas Neues anzugehen ist immer interessant. In der Grünen-fraktion sind allerdings die meisten Personen neu dabei. Es ist schwer einzuschätzen, wie die Kolleginnen und Kollegen im Rat agieren. In diesem Fall ist das Bewährte die erste Wahl.
Nun hat bei der Wahl die SPD viele Stimmen verloren, die Grünen haben viele hinzugewonnen. Ist damit auch ein Auftrag verbunden, mehr Themen der Grünen in die eigene Arbeit mit aufzunehmen? Venten Zunächst einmal glaube ich, dass ein ganz wesentlicher Teil dieses Ergebnisses auf den Bundestrend zurückzuführen ist und nicht auf die Arbeit vor Ort. Abgesehen davon, gibt es natürlich Themen, die man vielleicht zunächst bei den Grünen verorten würde, die aber auch alle anderen Parteien interessieren. Zum Beispiel das Thema Verkehr, das die Leute in unserer Stadt ganz wesentlich bewegt. Allerdings aus unterschiedlichen Perspektiven.
Die einen wollen mehr ÖPNV, eine bessere Situation für Radfahrer, andere beschäftigen sich mit Fragen des Kfz-verkehrs, mit zu schnellem Fahren und Falschparken. Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine deutlich größere Rolle als in der Vergangenheit.
Das sind Themen, die nicht an Korschenbroichs
Grenzen enden. Was ist innerhalb einer Kommune trotzdem möglich? Venten Man kann in Korschenbroich nicht die Welt retten, das steht fest. Man kann sie allerdings durch eigene Maßnahmen ein Stück weit besser machen. Da kann jeder bei den Themen Nachhaltigkeit und Verkehr etwas tun.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wie soll Korschenbroich 2025 aussehen? Venten Wir verfügen über stabile Finanzen, und es gab eine deutliche Verbesserung beim Verkehr. Dabei denke ich vor allem an ein durchgängiges Radwegenetz, aber auch an die Anbindung bestimmter Ortsteile über Bürgerbus oder reguläre Linien. Wichtig ist auch, dass wir die Aufenthaltsqualität in unseren Ortsteilen weiter gestärkt haben, vor allem in Kleinenbroich und Glehn. Durch die „Werk-stadt“möchten wir auch die Bürger an der weiteren Entwicklung der Stadt beteiligen.
Das klingt nach Plänen für mehr als fünf Jahre. Gibt es für Sie dann noch eine dritte Amtszeit? Venten Ich schließe nichts aus, aber wir kümmern uns jetzt erstmal um die fünf Jahre. Die gehen übrigens schnell vorbei, das musste ich in diesem Jahr feststellen.